Geisterschiff Vallona
Werft geredet wurde,
und war schrecklich neugierig. Man erzählte sich, die Werft sei der perfekte Platz, um Verstecken zu spielen. Andere behaupteten,
dass die Werft heimgesucht wurde, dass es dort spuke. Für den Jungen war das eine unwiderstehliche Kombination.
Die anderen Kinder waren unsicher.
›Man darf da eigentlich nicht rein, schon gar nicht im Dunkeln.‹
›Warum nicht?‹, fragte der neue Junge lachend. ›Wovor habt ihr denn alle Angst? Da spukt es wohl wirklich, was?‹
Unter den Kindern wurde es still. Sie schauten einander an. Wer wollte erzählen?
›Es geht um
Das Mädchen, das man vergessen hat
‹, erklärte ein Mädchen mit Pferdeschwanz ernst. ›Sie ist dort drinnen.‹
Wieder lachte der neue Junge.
›Und wer ist das?‹, fragte er neugierig. ›Warum nennt ihr sie so?‹
›Ein paar Kinder haben hier Verstecken gespielt‹, fuhr das Mädchen fort. ›An einem Abend wie diesem, aber das ist schon fünfzig
Jahr her. Und damals verschwand eine von ihnen. Sie versteckte sich so gut, dass keiner sie finden konnte.Sie suchten und suchten, aber bis auf den heutigen Tag weiß niemand, wo sie geblieben ist.‹
›Nur manchmal hört man ihre Stimme‹, sagte ein kleinerer Junge leise. ›Wenn es windig ist.
Alle frei!
, ruft sie dann. Als ob sie gefunden werden will.‹
Es wurde ganz still unter den Kindern. Das Einzige, was noch zu hören war, war das Knirschen und Knarren der Ketten, die sich
im Wind bewegten. Die Augen des neuen Jungen leuchteten vor Aufregung.
›Okay‹, sagte er. ›Dann weiß ich, was wir heute Abend machen. Wir spielen hier auf der alten Werft Verstecken.‹
Die Kinder zögerten. Aber der neue Junge konnte sich kaum noch beherrschen.
›Kommt schon!‹, rief er eifrig. ›Ihr glaubt doch nicht etwa an diese alten Geschichten – oder?‹
Mehrere Kinder bereuten ihre Entscheidung, sowie sie über den Zaun geklettert waren. Hier war es wirklich unheimlich. Überall
standen halb fertige Boote herum, verlassen, ehe sie überhaupt fertiggestellt worden waren. Die Kräne ächzten und schwankten
und es kam ihnen vor, als könnte jederzeit alles Mögliche aus den Schatten hervortreten. Die Kinder lachten nervös undhielten sich im Mondschein an den Händen, aber keines von ihnen drehte sich um und ging nach Hause.
›… eins, zwei, drei, vier Eckstein …‹
Das Mädchen mit dem Pferdeschwanz war als Erste mit Zählen dran. Sobald sie angefangen hatte, stoben alle blitzschnell in
unterschiedliche Richtungen davon, als wüssten sie ganz genau, wo man sich am besten verstecken konnte. Der neue Junge sah
sich um. Die alte Werft war wirklich voller fantastischer Verstecke! So gut, dass einen vielleicht niemand finden würde …
›… sechsunddreißig, siebenunddreißig, achtunddreißig …‹
Der neue Junge machte sich auf. Er schlich an großen, schlafenden Maschinen vorbei, duckte sich unter rostige Stahlträger.
Das Werftgelände war riesig und überall roch es nach Teer und Lösungsmitteln. Planen und Taue schaukelten über ihm, als wäre
gerade eben jemand dagegengestoßen, aber die anderen Kinder waren wie vom Erdboden verschluckt. Sie hatten alle ein Versteck
zwischen dem Gerümpel gefunden. Nur vereinzelt war noch ein Murmeln hier und ein Kichern da zu hören.
Es war schwer für den neuen Jungen, sich zuentscheiden, wohin er gehen sollte. Unentschlossen schaute er in alle Richtungen. Da rannte ein Mädchen auf ihn zu, sie trug
ein Kleid und rote Schuhe und lächelte breit.
›Los, komm mit mir‹, flüsterte sie. ›Ich kenne eine großartige Stelle. Beeil dich, ich helfe dir.‹
Der neue Junge schwankte noch. Er brauchte ja wohl keine Hilfe, um ein gutes Versteck zu finden? Aber als das Mädchen zwischen
zwei aufgebockte Boote huschte und der neue Junge ihre roten Schuhe hinter einem der Schiffsrümpfe verschwinden sah, entschloss
er sich, ihr trotzdem zu folgen. Sie schien ja zu wissen, was sie tat.
›Warte!‹, zischte er. ›Mach doch langsamer. Ich komme.‹
Mehrere Stunden spielten die Kinder, ihre Augen hatten sich an das schummrige Mondlicht gewöhnt und schon bald kam ihnen die
Werft überhaupt nicht mehr unheimlich vor. Sie hatten mächtig Spaß und vergaßen die Zeit. Die Werft war so gut wie jeder andere
Platz auch. Fast.
Da schlug die Kirchturmuhr zehnmal und es war, als würde ein Zauber gebrochen. Sie hätten schon lange zu Hause sein sollen.
›Alle frei‹, riefen die Kinder.
Sie
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