Geisterschiff Vallona
gekommenes Holzboot, aber Karl fand es trotzdem wunderschön.
Großvater, ja. Karl sah auf die Uhr. Er war schon ziemlich lange weg. Karl stand auf und spähte aus einem der Fenster. Das
Lagerhaus war in Dunkelheit und Nebel gehüllt. Von seinem Großvater keine Spur.
»Wo kann er nur hingegangen sein?«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Schrott-Jansson. »Dein Großvater weiß, was er tut. Sicher ist er irgendwo anders untergeschlüpft,
in der Nähe seines Bootes.«
Karl starrte hinaus in die Dunkelheit. Der Wind ließ das Windspiel am Giebel klingen. Starrte man nur lange genug nach draußen,
konnte man wirklich erkennen, wie Figuren im Nebel Gestalt annahmen. Konturlose Muster schwebten in der Luft hin und her.
Kreise undSpiralen, Wolkenfetzen und … Plötzlich wurde die Brücke in Licht getaucht. Jemand hatte den Bewegungsmelder der Außenbeleuchtung ausgelöst, draußen vor
dem Lager.
Erschrocken fuhr Karl zurück, als ein dunkler Schatten am Fenster vorbeischwebte.
Auf dem Kopf trug die Gestalt einen großen, schwarzen Hut. Die Schwarze Sara! Sie war hier und suchte jemanden, den sie über
die Klippen locken konnte. Vielleicht hatte sie seinen Großvater schon in die Tiefe gestoßen und war jetzt gekommen, um sie
zu holen! Karl drehte sich um und starrte Schrott-Jansson und Sara an.
»Ha-habt ihr gesehen …?«
Im selben Augenblick klopfte es laut an der Tür und alle drei zuckten zusammen. Aber bevor Schrott-Jansson sich auch nur rühren
konnte, öffnete sich schon die Tür.
Eine Gestalt baute sich in der Türöffnung auf und für einen Moment dachte Karl, ihm müsste das Herz stehen bleiben.
»Darf man reinkommen, oder was?«
Das hier war nicht die Schwarze Sara mit ihrem großen schwarzen Hut, sondern eine Frau mit dunkelblauem Südwester, Ölzeug
und riesigen Gummistiefeln. Sie trat in den Raum undüber ihr ernstes Gesicht breitete sich ein freundliches Lächeln aus.
»Was ist hier denn los? Ist jemand gestorben?«
Es war Ursula, Kapitänin auf der Fähre zwischen Krabbsjögrund und Hundarö. Sie war eine Freundin von Schrott-Jansson und Karls
Großvater und begrüßte auch Sara und Karl gut gelaunt, bevor sie sich schüttelte wie ein großer, nasser Hund.
Die Fährüberfahrten waren wegen des Wetters für den restlichen Abend eingestellt worden und Ursula war es gelungen, sich bis
zu Schrott-Janssons Lager vorzutasten. Ganz nach Hause zu finden, daran war gar nicht zu denken gewesen.
Sie ließ sich auf einen der Stühle am Tisch fallen, als wäre sie hier zu Hause, und Jansson schenkte ihr eine Tasse Tee ein.
»Schreckliches Wetter, was?«
Ursula schüttelte den Kopf und biss herzhaft in eine Zimtschnecke. Sie nickte Karl zu und murmelte etwas, das er allerdings
nicht verstehen konnte, weil sie noch den Mund voll hatte. Aber offenbar hatte sie etwas gefragt, denn Schrott-Jansson erklärte,
warum Karl bei ihnen war. Ursula nickte und angelte sich eine neue Zimtschnecke. Sie schaute aus dem Fenster.
»Ja … da bleibt einem wohl nichts anderesübrig, als abzuwarten.« Dann wurde sie plötzlich nachdenklich und fügte hinzu: »Und zu hoffen, dass nichts Schlimmes passiert …«
Karl schauderte. Was meinte sie?
Durch eines der gekippten Fenster fuhr plötzlich ein feuchter Windstoß in den Raum und Karl war es, als hörte er ein Heulen
über dem Meer, ein traurig klagendes Weinen. Er schaute die anderen an. Hatten sie es auch gehört?
»Das sind die Seelen, die sich im Nebel verirrt haben«, sagte Schrott-Jansson ernst. »Sie wollen nicht alleine bleiben, deshalb
versuchen sie, die Menschen zu sich zu locken. Das ist der Grund, weshalb alle solche Angst vor dem Nebel haben.«
Karl war sich nicht sicher, ob das ein Scherz sein sollte.
»Seelen?«, fragte er mit kleiner, zitternder Stimme und merkte selbst, wie albern das klang, obwohl er sich wirklich schrecklich
fühlte. Sara wandte sich an Ursula.
»Wir erzählen Spukgeschichten«, erklärte sie. »Deshalb redet Opa so seltsam.«
»Spukgeschichten?«, rief Ursula. »Ich liebe Spukgeschichten! Habt ihr auch schon die von der Vallona erzählt?«
Karl schnappte nach Luft. Vallona. Das war doch das Votivschiff aus der Sakristei!
Der Geisterlotse der Vallona
»Alles begann an einem milden Oktoberabend, viel milder als heute. Die Vallona sollte auf ihrem Weg nach Norden entlang der
schwedischen Küste Krabbsjögrund passieren.
Die Besatzung an Bord stammte aus dieser Gegend, und obwohl
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