Geisterstadt
öffnen.
Justus überlegte laut, ob es nicht lohnen würde, den Mechanismus zu suchen und zu knacken, aber Peter sah besorgt auf die Uhr. »Irgendwann werden die mit dem Frühstück fertig sein«, gab er zu bedenken. »Ich habe keine Lust, hier beim Aufbrechen eines Geheimfachs erwischt zu werden, von dem wir nicht wissen, ob was Geheimes drin ist.«
Sie standen auf und gingen zur Tapetentür, die sich ohne Probleme öffnen ließ. Statt wie erwartet in einen Schrank, blickten sie in eine große begehbare Garderobe. »Fehlt nur noch der Kammerdiener«, staunte Bob.
Oames hatte keine besonders abwechslungsreiche Garderobe: Mehrere graue Hosen hingen hier, einige karierte und zwei schwarze Sakkos, ein dicker Mantel, eine Daunenjacke, aber reichlich Hemden, Krawatten und Gürtel.
»Nicht übel.« Peter deutete auf die Hutablage. Ein riesiger Stetson war ihm aufgefallen, der nicht so recht zur Ausstattung eines älteren Herrn aus Los Angeles passen wollte.
Direkt hinter der Tapetentür stand ein schmales Regal. Justus musste zweimal hinsehen, bevor er glaubte, was er sah: Es war bis unter die Decke vollgestopft mit den verschiedensten Spielen. Manche gab es in mehreren Exemplaren, einige Kartons waren noch eingeschweißt. »Wie im Kinderparadies«, sagte Peter. Bob schrieb sich ein paar Titel auf.
Justus ging zurück in das Zimmer. Sein Blick fiel gerade auf zwei Nachtschränkchen, als er Stimmen hörte. Mit ein paar Schritten war er zurück in der Garderobe. »Weg hier! Es kommt jemand.«
Bob und Peter nickten. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schlossen sie die Tapetentür und folgten Justus zum Balkon. Dem wurde etwas mulmig beim Gedanken an das Rosenspalier, aber er riss sich zusammen. Durch das Haus zu fliehen wäre zu gefährlich gewesen. Leise öffneten sie die Tür zum Balkon, der sich zwar über die gesamte seeseitige Front zog, aber durch schmale Buschreihen unterteilt war. So konnten sie von den anderen Zimmern aus nicht gesehen werden.
»Hier lang.« Peter kletterte als Erster über die Brüstung und ließ sich an einer Holzsäule zu Boden gleiten. Justus und Bob kamen nach. Glücklicherweise hatte es in der Nacht getaut. Schnee, in dem sie ihre Spuren hinterlassen hätten, gab es hier nicht mehr.
Vorsichtig drückten sie sich an die Hauswand. Rechts von ihnen lagen die große Terrasse und das Schwimmbad. »Wir müssen hier lang«, flüsterte Bob und deutete nach links.
Plötzlich waren Schritte und Stimmen zu hören. Zu sehen war niemand.
»… sie irgendwie loswerden«, hörten die drei Jungen Henry gedämpft sagen.
Peter durchschaute die Situation als Erster und zeigte nach oben. Das Gespräch fand auf dem Balkon über ihnen statt. Inständig hofften sie, dass niemand auf die Idee käme, sich über die Brüstung zu lehnen.
»Wenn nur die Polizei nicht hier wäre«, sagte eine Männerstimme.
»Ist aber hier«, zischte eine Frau. Es war unverkennbar die Blondine.
»Vor der Lösegeldübergabe muss diese Jonas jedenfalls weg«, ließ sich Oames junior vernehmen. »Die schnüffelt mir zu viel herum.«
»Aber wie?«, meldete sich der Anwalt. »Sie einfach wegzuschicken, das würde die Polizei stutzig machen, oder?«
»Hast du einen anderen Vorschlag?«, fragte Henry.
»Greenwater ist doch Profi, dachte ich«, antwortete die Frau. »Du hast gesagt, der wird mit der Polizei auf jeden Fall fertig. Und wenn die weg ist, haben wir …« Ausgerechnet jetzt unterbrach sie sich selbst. »Mir ist kalt, lasst uns reingehen. Es ist ja auch alles besprochen.« Über sich hörten die drei ??? Schritte und das Knarren einer Tür.
Peter übernahm das Kommando. Geduckt liefen die beiden anderen hinter ihm her, in großem Bogen zum Ferienhaus. Durch die Küchentür schlüpften sie hinein und ließen sich schnaufend auf die Stühle fallen.
»War ja ganz schön knapp«, meinte Bob schließlich. Justus kam gleich wieder zur Sache. »Dafür, dass sie die Polizei im Haus haben, sind die ja ganz schön dreist. – Diese Jonas muss weg«, zitierte er den jungen Oames und hob theatralisch den Zeigefinger. »Das werden wir zu verhindern wissen.«
Peter holte die beiden Mappen und das Telefonbuch aus seiner Jacke und legte sie auf den Küchentisch. »Eigentlich«, begann er langsam, »müssten sich die doch Sorgen um ihren Vater machen. Das wäre das Normalste von der Welt, auch wenn sie kein gutes Verhältnis zu ihm haben.«
»Stattdessen«, nahm Justus den Faden auf, »schalten sie einen Menschen namens
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