Geisterstunde
hatte den letzteren Weg eingeschlagen.
Etwa hundertfünfzig Meter weiter führte der Pfad in einen breiten, flachen, sandigen Abschnitt des Flusses. Und kam auf der anderen Seite nicht wieder heraus. Ich sah mich um. »Ich habe die Spur verloren.«
»Verdammt noch mal, suchen Sie weiter.«
Ich gehorchte und war froh, daß er die Pferdeäpfel im flachen Wasser nicht bemerkt hatte. Wer auch immer hierhergekommen war, hatte sich zu Pferd durch das Flußbett flußabwärts dünnegemacht. Das war nicht weiter schwierig, weil das Wasser an keiner Stelle mehr als dreißig Zentimeter tief war.
Wie viele Bauern, die von der Wilderei leben mußten, konnten sich ein Pferd leisten?
»Tut mir leid, ich finde nichts.«
»Dann besorge ich die verdammten Bluthunde.«
»Wer kümmert sich um die Ställe?« erkundigte ich mich, während wir den Hügel hinaufstiegen.
»Meistens Schleicher. Hawkes und Tyler helfen ihm ab und zu. Aus Schleicher werde ich nicht schlau. Er kümmert sich aufopfernd um die Tiere. Anscheinend mag er sie richtig gern. Aber nichts auf der Welt bringt ihn dazu, sich auf ein Pferd zu setzen, selbst wenn sein Leben davon abhinge.«
Das konnte ich gut verstehen, auch wenn ich es ein bißchen übertrieben fand.
Ich hatte viele Fragen gestellt, die mir zwar neugierige Blicke, aber keine Antworten eingebracht hatten. Wenn sie keine Lügner waren, Siebenmeilenstiefel trugen oder alle unter einer Decke steckten, dann konnte keiner der Männer der Patrouille Hawkes niedergestreckt haben. Und der hatte es bestimmt nicht selbst getan. Das engte das Feld der Verdächtigen zwar ein, wenn auch längst nicht genug. Ich wollte Schleicher und Peters loswerden, zum Bach zurückgehen und ihm bis zu der Stelle folgen, an der der heimtückische Heckenschütze ihn zurückgelassen hatte.
»Mist!« brach es aus Peters heraus. »Wir haben wirklich unsere Köpfe zwischen den Beinen.«
»Was?«
»Was haben wir jedesmal getan, wenn wir den Scheiß-Venageti auf dieser Drecksinsel eins ausgewischt haben? Was habe ich Euch Mistkerlen jeden Scheißtag eingetrichtert, den wir da waren?«
Er hatte es kapiert. »Ja. Im Wasser hinterläßt man keine Spuren.« Vor einem Überfall hatten wir immer dafür gesorgt, daß unser Fluchtweg über einen großen Fluß führte.
»Der Schweinehund ist durch den Fluß gegangen. Deshalb konnten Sie nichts finden.«
»Richtig.«
»Gehen wir.«
»Ich sehe selbst nach. Sie müssen nicht noch mehr Zeit opfern.«
Er sah mich scharf an und suchte dann nach Schleicher. »Was brüten Sie aus, Garrett? Ich kenne diese Miene. Ich habe nichts von der Show vergessen, die Sie damals immer abgezogen haben.«
»Ich erledige meinen Job, so gut ich kann. Es ist nichts Persönliches, aber jeder ist verdächtig, bis ich seine Unschuld bewiesen habe. Ganz gleich, wie gut ich ihn zu kennen glaube.«
Er wurde wütend.
»Lassen Sie’s stecken. Sie wollten doch, daß ich rausfinde, wer den alten Mann umbringen will, oder? Wer von Ihren Männern würde so etwas tun? Keiner. Richtig? Aber einer muß der Mörder sein. Bis ich den Schuldigen festgenagelt habe, behandele ich Sie wie alle anderen auch. Und sei es auch nur, um die Legende aufrechtzuerhalten, daß ich einen Dieb dingfest machen soll. Kapiert?«
»Sie wollen es allein durchziehen. Sie sind der Profi. Ich werde mich damit abfinden. Vorläufig.«
»Gut. Außerdem haben Sie sowieso keine Wahl. Und es gibt keinen Grund, deshalb sauer zu werden.«
Aber er war trotzdem sauer. Das war typisch. Sie glauben immer, sie müßten die Ausnahme von der Regel sein.
Beleidigt ritt er davon.
Mir war’s egal. Hauptsache, er machte sich dünn.
13. Kapitel
Mein Pferd wartete geduldig und irgendwie verloren an seinem Baum. Ich band es los und führte es am Waldrand entlang, während ich nach Spuren Ausschau hielt. Falls ich keine fand, bevor ich die Grenze des Gebietes der Stantnors erreichte, wollte ich auf der anderen Seite des Waldes weitersuchen.
Der Mörder war ein wahrer Meister darin, mit wenig Aufwand viel zu erreichen. Dieser ›Unfall‹ wäre von den anderen sicher anstandslos hingenommen worden, wenn es keinen Grund zum Mißtrauen gegeben hätte. Aber den gab es nun mal.
Ich fand die Stelle, wo ein Reiter den Wald verlassen hatte. Sie war so weit von dem Ort entfernt, an dem Hawkes erledigt worden war, daß man den Mörder nicht bemerkte. Der Abstand der Hufabdrücke zeigte, daß der Reiter es nicht sehr eilig gehabt hatte, nachdem er den
Weitere Kostenlose Bücher