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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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selben Moment kam der Schwarze Peter aus einem Flur im anderen Flügel und betrat die Eingangshalle. Er schnappte mein Winken auf, runzelte die Stirn und winkte hölzern zurück. Ich deutete hinunter zur Galerie, Er beugte sich über das Geländer.
    Zu spät. Blondie hatte meine Geste bemerkt und wich weiter in den Schatten zurück.
    Während ich die Treppe hinabging, erwog ich, wenn auch nicht ganz ernsthaft, die Vorstellung, daß hier vielleicht tatsächlich ein Geist hauste.
    Ich hatte angenommen, daß Jennifer mir die Blonde vorspielte. Mit einer Perücke und hastigem Kleiderwechsel. Immerhin hatte sie eine ähnliche Figur und verwandte Gesichtszüge. Daß die Blonde mir einen Tick hübscher erschien, hatte ich auf meine romantische Ader geschoben. Bis eben hatte ich die beiden noch nie gleichzeitig gesehen. Dafür hatte ich nach irgendeinem abseitigen Motiv gesucht, das aus Jennifer eine mordlustige Walküre machte, um den Sack zumachen zu können.
    Manchmal rät man richtig und manchmal nicht. Ich liege fast immer falsch.
    Als ich im Erdgeschoß ankam, war ich davon überzeugt, daß ich mich getäuscht hatte. Blondie war tatsächlich hübscher. Außerdem hätte Jennifer ihre einsame und ätherische Ausstrahlung niemals nachmachen können.
    Damit will ich nicht sagen, ich wüßte viel über Jennifer. Ich war erst einen Tag hier und hatte bisher noch keine engen Bande geknüpft, außer mit Kelle. Aber befreundet war ich mit ihr deshalb noch lange nicht. Daran würde sich wohl auch nichts ändern. Diese Leute ließen niemanden so einfach an sich heran.
    Der Fall wurde von Minute zu Minute merkwürdiger. Wenigstens versprach er nicht so heftig zu werden wie die blutigen Wirbelwinde, in die ich die letzten Male geraten war.
    Peters fing mich am Fuß der Treppe ab. »Wollten Sie etwas?«
    »Wegen des Winks? Ich habe nicht Ihnen zugewunken. Die blonde Frau stand auf dem Balkon unter Ihrem. Als ich auf sie gedeutet habe, ist sie in Deckung gegangen.«
    Er musterte mich, als befielen ihn Zweifel, ob er nicht doch den falschen Mann geholt hatte. Es war wohl besser, ihn auf andere Gedanken zu bringen. »Ich habe eine Frage an Sie, rein hypothetisch. Wenn Sie hier jemanden umlegen und sich der Leiche entledigen wollten, wo wäre hier auf dem Grundstück der beste Platz dafür?«
    Sein Blick wurde noch eigenartiger. »Garrett … Sie werden sonderbar. Vielleicht sind Sie ja schon so, seit Sie die Marines verlassen haben. Warum wollen Sie das wissen?«
    »Antworten Sie einfach. Es ist mein Job, Fragen zu stellen. Sie müssen sie nicht verstehen. Manchmal kommen sie selbst mir nicht sinnvoll vor. Aber sie sind mein Handwerkszeug.«
    »Können Sie mir einen Tip geben? Wenn ich jemanden begraben wollte …« Ihm ging ein kleines Licht auf. Er glaubte, ich suchte nach einem Ort, an dem man die Wertsachen des Generals Zwischenlagern könnte. »Das kommt auf die Umstände an. Wieviel Zeit habe ich zur Verfügung? Wie gut will ich den Job erledigen? Wenn ich Zeit hätte, würde ich den Leichnam drei Meter tief begraben, wo niemand Grund zu graben hätte. Hätte ich es eilig, würde ich ihn nicht hier verstecken. Ich würde die Straße zu den Sümpfen nehmen, ein paar Steine an die Leiche binden und sie hineinwerfen.«
    »In welche Sümpfe?«
    »Die auf der anderen Seite der Anhöhe. Man sieht die Wipfel der Bäume von der Vordertür aus, wenn man am Friedhof vorbeiblickt. Das Moor ist etwa hundert Morgen groß. Man redet ständig davon, es trockenzulegen, wegen des Gestanks. Aber der alte Melchior, dem das Land gehört, will nichts davon wissen. Sehen Sie es sich bei Gelegenheit mal an. Der Anblick weckt bestimmt Erinnerungen.«
    »Mach ich. Wir sollten lieber Essen fassen gehen, bevor Kelle uns vergißt.«
    Sie brachte gerade die letzte Ladung herein, als Peters und ich eintrudelten. Kelle sah mich an, als hätte ich sie im Stich gelassen, weil ich ihr nicht beim Auftragen geholfen hatte. Typisch. Kaum bietet man einmal einen Freundschaftsdienst an, erwarten die Leute, daß man es immer tut.
     
    Das Mahl verlief in derselben Atmosphäre wie am Abend zuvor. Sie redeten kaum miteinander, bis auf gelegentliche, geknurrte Spekulationen, wie sie den Wilderer aufspüren könnten und was sie hinterher mit ihm anstellen wollten. Keinen schienen die Umstände mißtrauisch zu machen.
    War das möglich? Irgend jemand erledigte einen nach dem anderen von ihnen, und sie merkten es nicht?
    Vielleicht lag es an ihrem Hintergrund. Sie waren zu

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