Geistersturm
sagte ich zu den beiden. »Soll ich anklingeln?«
»Tu das.«
Von Shao verabschiedete ich mich durch zwei Wangenküsse. Ich befand mich noch nicht in meiner Wohnung, als ich bereits das Telefon hörte.
Rasch schloß ich die Tür auf, legte das Abbild des Wappens wieder neben den Apparat und meldete mich mit keuchend klingender Stimme.
»Habe ich dich bei irgendwas gestört, John?« fragte mein Vater und wünschte mir dann einen guten Tag. Von seinem Haus aus rief er nicht an, im Hintergrund hörte ich Stimmenwirrwarr. »Deine Mutter hat mich hier telefonisch erreicht und sprach davon, daß du Probleme hast.«
»Sie übertreibt.«
»Weiß ich doch, John. Um was geht es?«
»Um Culloden.«
»Die Schlacht?«
»Ja, und ich habe das Gefühl, daß sie sich als mächtiger Toten- oder Geistersturm wiederholen wird. Da braut sich was zusammen, Vater, und das sage ich nicht nur so daher.«
»Kannst du mir Einzelheiten nennen?«
»Es wird aber länger dauern.«
»Macht nichts.«
Ich nahm meinem Vater noch das Versprechen ab, über das Gehörte zu schweigen, dann berichtete ich haarklein, was mir widerfahren war, und ich überraschte ihn wirklich damit, als er den Namen Geraldine Sinclair hörte. Den hatte ich gewissermaßen als Sahnehäubchen zum Schluß des Berichts draufgesetzt und schloß eine Frage an. »Sagt dir der Name Geraldine Sinclair etwas?«
»Im Moment nicht.«
»Kennst du dich in der Clan-Geschichte aus? Kann sie durch irgend etwas hervorgetreten sein?«
»John, ich bin darüber nicht informiert. Du weißt selbst, daß wir uns da zurückgehalten haben, aber ich werde mich so bald wie möglich kundig machen. Das verspreche ich.«
»Es wäre gut.«
Mein Vater räusperte sich. Er erklärte einem anderen Gast, daß er in Ruhe telefonieren wollte, dann meldete er sich wieder. »Aber diese Geraldine ist doch tot«, sagte er vorsichtig.
»Sicher.«
»Trotzdem taucht sie bei dir in der Wohnung auf und besucht dich? Das ist mir unverständlich. Zumindest habe ich meine leichten Probleme damit.«
Ich lachte leise in den Hörer. »Muß ich dich noch darauf hinweisen, Vater, was alles möglich ist?«
»Das nicht gerade, dazu hast du schon zuviel erlebt. Aber du mußt mich verstehen, es trifft mich in diesem Fall besonders, weil der Name Sinclair eine Rolle spielt.«
»Das kann ich mir vorstellen. Nur hätten wir beide uns früher mit der Clan-Geschichte auseinandersetzen sollen. Was nicht ist, kann noch werden.« Es war eine verklausulierte Aufforderung an meinen alten Herren, etwas für die Aufklärung zu tun. Er versprach mir, alles in die Wege zu leiten. »Wo kann ich dich denn erreichen?«
»Ich werde dich anrufen. Irgendwo auf der Reise werden Suko und ich übernachten.«
»Gut, John. Eine Frage habe ich trotzdem noch. Sie betrifft ein bestimmtes Gebiet. Kennst du das Schlachtfeld von Culloden?«
»Nein, ich war nie dort.«
Ich sah meinen Vater förmlich, wie er nickte. »Es ist eine Gegend, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Unwirtlich, windig, in einer Hochlage und sumpfig. Zudem ein verfluchter Ort, das weiß ich schon, denn der Boden ist mit dem Blut der Schotten und Engländer getränkt. Hin und wieder versammeln sich dort die Abordnungen der Clans, um der Schlacht zu gedenken.«
»Weißt du, wann sie sich dort wieder einfinden?«
»Nein. Ich müßte nachforschen, wenn es dir wichtig erscheint.«
»Alles ist wichtig, Vater, was sich um Culloden dreht.«
»Ich werde mein Bestes tun. Gute Fahrt.«
»Danke und grüße Mutter noch mal.«
»Werde ich machen.«
Mir stand schon der Schweiß auf der Stirn, als ich den Hörer wieder aufgelegt hatte. Mit einem derartigen Fall war ich noch nicht konfrontiert worden, dabei wußte ich schon, daß Geisterheere durchaus verbreitete Spukerscheinungen sind. In der Geschichte unseres Landes wurde viel gemetzelt, an Teilnehmern war kein Mangel.
Einiges stimmte, das meiste nicht. Wir würden herausfinden, welche Rolle Geraldine Sinclair und dieses Geisterheer spielten. Der nächste Anruf galt meinem Chef, Sir James. Ihm erklärte ich, daß wir schon früher starten wollten.
»Da wollte ich Sie schon darauf hinweisen. So haben Sie mehr vom nächsten Tag.«
»Gibt es etwas Neues, Sir?«
»Nein. – Bei Ihnen?«
»Auch nicht.« Ich wollte Sir James nicht unbedingt mit meinen Familienproblemen belästigen.
Nach dem Telefonat packte ich meinen kleinen Koffer, löschte das Licht im Zimmer und verließ die Wohnung.
Suko war ebenfalls bereit.
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