Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
in den Rücken rammte.
Ich schrie auf, nahm meinen Teller und warf ihn in das Fenster, das darauf klirrend zerbarst.
Es ging zwar alles furchtbar schnell, doch noch bevor ich das Fenster zerstören konnte, sah ich für den Bruchteil einer Sekunde, wie mich das Ding auf der anderen Seite anstarrte und dabei mit dem Finger auf mich zeigte. Die Botschaft, die diese Geste vermitteln sollte war eindeutig. Sie lautete: »Das nächste Mal bist Du dran!«
Ich kauere jetzt schon seit Stunden im Korridor meines Hauses auf dem Boden und schreibe diese Worte nieder. Ich weiß nicht, ob ich diese Nacht überleben werde.
Bald müsste die Sonne aufgehen.
Ich habe Angst davor, dass das Wesen aus der Spiegelwelt entkommt und mich findet.
An dieser Stelle enden Arthur Farrels Aufzeichnungen.
Seine Leiche wurde drei Tage später in seinem Haus gefunden. Sein lebloser Körper lag quer über seinem Bett. Sein Gesicht war mit tiefen Schnitten durchsetzt, die von den Glasscherben des Schlafzimmerfensters stammten. Auf den Boden war eine große, halb eingetrocknete Blutlache. Als Todesursache wurde zunächst der massive Blutverlust angenommen, doch bis heute hält sich hartnäckig die Auffassung, dass Farrel durch einen plötzlichen Herzstillstand infolge eines massiven Schreckens gestorben war.
6
Nach Farrels Tod gab es nur noch sehr vereinzelt Berichte oder Gerüchte über Poltergeisterscheinungen. In den folgenden Jahrzehnten will immer wieder jemand einen Geist gesehen oder unerklärliche Phänomene erlebt haben. Aber etwas Vergleichbares mit den Schilderungen von Farrel hat es nie wieder gegeben. Was immer auch in Lost Haven vorgefallen war, nach fast genau zehn Jahren hatte es ein Ende gefunden.
Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts scherte sich kaum jemand noch um den Gespenster-Mythos von Lost Haven und so versank das Dorf an der Ostküste des Atlantiks zunehmend in der Bedeutungslosigkeit. In den neunzehnhundert-fünfziger Jahren gab es nur noch knapp vier Dutzend Einwohner.
Erst ab den sechziger Jahren begann das Interesse an Lost Haven wieder aufzuflammen. Geistergeschichten kamen mehr und mehr in Mode. Ende der siebziger Jahre entwickelte sich gar ein richtiger Tourismus. Immer mehr Menschen wollten auf den Spuren der Poltergeister wandeln. Lost Haven wurden mystische Kräfte zugeschrieben. Die Grundstückspreise stiegen allmählich, und immer mehr Menschen, meist Leute mit zu viel Geld, bauten sich ein Sommerhaus oder zogen ganz nach Lost Haven. Der Ort erfuhr eine regelrechte Ummodellierung, denn die meisten der alten Häuser aus dem vorigen Jahrhundert waren derart zerfallen, dass sie rücksichtslos abgerissen und durch neue ersetzt wurden. Trotz der Bemühungen das Landschaftsbild nicht allzu sehr zu verändern, hatte das Neue Lost Haven mit dem alten verschrobenen Fischerort von einst wenig gemein. Der New Haven Harbour wurde auf der Westseite der lang gezogenen schmalen Bucht komplett neu gebaut. Der alte Hafen an der Ostseite wurde aufgegeben. Einige kleine Straßen kamen neu hinzu, wie die Kennington Street, in der ich jetzt wohne, östlich der Bucht. Die verbliebenen Straßenzüge wurden verändert und bekamen neue, tourismusfreundliche Namen verpasst. Diese ganzen Transformationen haben das alte Lost Haven zwar zerstört, aber den Ort immerhin vor dem Vergessen bewahrt.
Trotz aller Veränderungen blieb Lost Haven doch sehr überschaubar. Wenn sie von Osten kommend die Main Street entlang der Küste fuhren, dann hätten Sie noch kurz vor der Ortsgrenze Gelegenheit, rechts in die Oxbridge Street abzubiegen. Sie machte einen Bogen um den Ort und verlief am Elder Forest vorbei. Der Elder Forest war allerdings besser bekannt unter der Bezeichnung 'Crying Woods'. Viele der Geister - so eine Legende unbekannter Herkunft – hätten sich in der Hochzeit der Poltergeistheimsuchungen des Nachts in den Crying Woods versammelt und ihre Wehklagen seien durch den ganzen Ort bis an die Küste vorgedrungen.
Wenn Sie aber die Crying Woods nebst Oxbridge Street rechts liegen ließen und die Main Street weiter Richtung Süden beführen, ginge es zunächst links ab in die Kennington Street, an deren Ende Mrs. Trelawney und meine Wenigkeit wohnten. Zuvor gabelte sich die Kennington Street noch zur Lexington Avenue. Diese führte am östlichen Teil der Bucht von Lost Haven entlang und endete ebenso wie die Kennington Street in einer Sackgasse.
Weiter die Main Street Richtung Westen passiert man das Museum of
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