Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Erlebnisse dokumentieren.
Farrel kam der plötzliche Sinneswandel des Reverends verdächtig vor. Er verließ ihn – vorerst. Am Abend wollte er jedoch noch einmal zurückkehren und nach dem Reverend sehen.
Nach Sonnenuntergang kam Farrel wie geplant wieder. Als er die Außentür zur Kirche aufstieß, schrie er vor Bestürzung auf ob der Gräuel, die seine Augen sehen mussten.
Die Sitzbänke lagen wild verstreut herum. Einige waren zerborsten. »Es war mir, als sei ein Riese hier am Werke gewesen und hätte alles in blinder Wut zerstört«, schrieb Farrel.
Am anderen Ende des Saals baumelte der leblose Körper von Reverend Sasusa erhängt an einem Strick. Jede Hilfe kam zu spät.
Dieser Vorfall ließ sich freilich nicht geheim halten. Die Dorfbewohner von Lost Haven waren entsetzt. Sie gerieten in Panik, weil die Geister nun anscheinend sogar das Haus Gottes in ihre Gewalt gebracht hatten. Folglich wurde nicht lange überlegt. Man einigte sich hastig darauf, die Kirche zu verbrennen in der Hoffnung, die Geister, die sich nach wie vor darin befänden, zu vernichten. Niemand wollte mehr jene Kirche betreten und so fiel der Leichnam von Reverend Sasusa ebenfalls den Flammen zum Opfer, so dass ihm ein würdiges Begräbnis verwehrt blieb.
Doch bevor die Flammen die Kirche bis auf ihre Grundmauern vernichtete, gelang es Farrel noch, eine Notiz aus der Schreibkammer des Reverends vor den Flammen zu retten. Auch diese Notiz liegt heute – wenn auch nahezu unleserlich vergilbt - in einer Vitrine des Museums direkt neben Farrels Tagebuch.
Laut Farrel waren folgende Worte darin enthalten:
»Vor der letzten Nacht habe ich mich stets gefragt, was dieser verzweifelten Wut der Geister entgegen zu setzen ist. Doch nun weiß ich es besser. Dem unendlichen Leid, das jene Wesen zu tragen haben, ist keine glückliche Wendung beschieden.
In ihrer Verzweiflung wollten sie es mit mir teilen, doch überschätzten sie meine Leidensfähigkeit.
Sie werden wieder kommen. Dessen bin ich mir gewiss. Doch bin ich nicht gewillt, diesen wüsten Schmerz noch einmal zu erdulden. Ich muss ihnen zuvorkommen.
Vielleicht ist das der Weg, sie zu besänftigen.«
Man kann von dieser Geschichte halten, was man will. Fakt ist aber, dass der Reverend sich erhängt hat, und dass die Kirche wenig später in Brand gesteckt wurde. Als Beweis gab es sogar eine Fotografie der brennenden Kirche, die von Historikern für authentisch befunden wurde. Aufgenommen wurde dieses Bild im Auftrag einer Zeitung, die in einem großen Artikel über die seltsamen Ereignisse in Lost Haven berichtete. Es ist übrigens das einzige Foto aus dem 19. Jahrhundert aus Lost Haven. Das Foto verschwand jedoch aus ungeklärten Gründen in den neunzehnhundertsiebziger Jahren. Dies geschah ausgerechnet in einer Zeit, in der eine wahre Geister-Hysterie ausgebrochen war und Lost Haven zum Quell des Glaubens und des Wissens für alle Geister-Gläubige und selbsternannten Medien aller Art hochstilisiert wurde.
Bis heute gibt es immer wieder Augenzeugen, die angeblich aus dem angrenzenden Wald kommende schwebende Lichter über den Ruinen der Kirche gesehen haben wollen.
Auch wenn ich meine eigenen Erlebnisse der letzten Wochen in keinen erklärbaren Zusammenhang mit dem Schicksal von Reverend Sasusa bringen kann, so gibt es doch eine entscheidende Gemeinsamkeit: Ebenso wie die Leidensfähigkeit des Reverends nach jener Nacht der Heimsuchung, ist jetzt auch die meine vollends aufgebraucht.
4
Der zweite ungeklärte Todesfall, der in Verbindung mit den Poltergeistern gebracht wurde, ereignete sich ein Jahr später, 1891, und betrifft Ernest Hawl. Demjenigen, der die Speedwell als erster aus dem Nirgendwo auftauchen sah.
Im Gegensatz zu anderen teils sehr detaillierten Schilderungen anderer Heimgesuchter, hat Farrel nichts über die Hintergründe zu Hawls Ableben zu berichten. Allerdings kam seine Betroffenheit in seinem Bericht zum ersten Mal voll zum tragen, denn erstmals hat es einen Menschen getroffen, dem Farrel sehr nahestand. Und zu allem Überfluss war Farrel es selbst, der die Leiche von Hawl in dessen Haus auf der Felsterrasse fand.
Hawl hatte mit dem Rücken auf dem Boden im Korridor gelegen. Bei einer ersten Begutachtung ergaben sich keine Fremdeinwirkungen, die auf ein Verbrechen hätten hinweisen können. Erst die genauere Untersuchung der Leiche durch den Dorfarzt Dr. Pickman brachte eine erstaunliche Entdeckung ans Licht, die auch den letzten Zweifler von
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