Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Flohmarkt gekauft. Es strahlte eine geheimnisvolle Ruhe aus, die ich in meinem Schlafzimmer haben wollte. Aber ich konnte mich nicht erinnern, dass dort eine Frau in einem roten Kleid gestanden hätte. In meiner Erinnerung war es ein Mann in einem schwarzen Anzug.
Vorsichtig stellte ich das Bild wieder zurück in die Badewanne und ging rückwärts aus dem Badezimmer. Das veränderte Gemälde immer im Blick.
»Lass mich mit dieser Scheiße in Frieden«, sagte ich im hinausgehen.
Im Schlafzimmer drehte ich mich um, blickte auf die Wand, an der das Bild gehangen hatte – und bekam einen Schock.
Drei Wörter waren dort riesengroß und in zwei Zeilen mit Blut an die Wand geschmiert.
ALLE WERDEN
GLEICH
Jemand hatte die Schmiererei mit einem Finger angepinselt. Ich schaute auf meinen linken Zeigefinger und konnte eingetrocknete Reste von Blut unter dem Fingernagel erkennen.
Die Schrift, in der diese Botschaft geschrieben worden war, entsprach offensichtlich der meinen.
Ja, ich war es, der das geschrieben hatte.
Es muss passiert sein, während ich geschlafen habe. Ich muss schlafgewandelt sein!
Ungläubig sah ich an die Wand. Auf der einen Seite war ich froh, dass kein Fremder sein Blut in meinem Haus an Wände geschmiert hatte. Auf der anderen Seite beunruhigte mich die Vorstellung, dass ich anscheinend im Schlaf umhergeirrt und eine wirre Nachricht hinterlassen hatte.
Aber, war die Nachricht denn die Ausgeburt eines verrückt gewordenen Verstandes?
Du siehst die Zeichen nicht, hatte Melissa gesagt.
Sollte dies eines der Zeichen sein, die ich bisher übersehen hatte, dann verstand ich es nicht im Geringsten.
Ich ging nochmalig zurück zum Badezimmer und holte das Bild aus der Wanne. Ich war nicht sonderlich überrascht, als ich sah, dass die Frau in Rot dem Mann in Schwarz gewichen war. Das Bild war wieder so, wie ich es in Erinnerung hatte.
Ja sicher, jetzt hätte ich zum x-ten Mal meine Sinnestäuschungs- und Schizophren-Geworden-Platte abspulen können.
Ich war aber nicht verrückt und ich hatte keine Sinnestäuschung. Da war ich mir absolut sicher.
Der abartige Albtraum, der mein Zeitgefühl völlig ausgeschaltet hatte, war mir in jedem noch so kleinen Detail präsent.
Ich setzte mich ans Fußende meines Bettes und hielt das Bild auf meinem Schoß. Hinter mir die Worte aus Blut.
ALLE WERDEN GLEICH
Wie viel Blut mag ich in jener Nacht verloren haben, um die Wand zu verzieren? Wohl nicht mehr als bei einer Blutspende.
Ich war am Ende mit meinen Kräften und meinen Ideen. Je länger dieser Horror andauerte, desto weniger ergab alles einen Sinn. Melissa in meinem Traum war nicht meiner Fantasie entsprungen. Ich war davon überzeugt, dass es ihren Geist wirklich gab. Ich schloss auch nicht aus, dass ich ihrem Geist schon einmal begegnet war: Sie könnte der Geist gewesen sein, der eine Weile neben mir am Bett gestanden hatte, bevor der andere in mein Schlafzimmer gekommen war. Hatte sie versucht, mit mir zu kommunizieren? Ich konnte sie damals nicht verstehen. Vielleicht hat sie es deshalb in einem meiner Träume versucht. Wenn dem so war, so hat sie mir etwas sagen wollen, das aber durch meinen Traum verzerrt wurde, vorausgesetzt dass ich meinen und nicht ihren Traum träumte.
Ich seufzte: »Ach, das ist doch alles verrückt.«
Je mehr ich darüber grübelte, desto absurder wurde es. Ganz gleich, welche Botschaft Melissa versucht hatte mir zu übermitteln, ich war nicht in der Lage, sie zu verstehen.
Ein Gutes hatte die Sache: Das randalierende Ding war heute Nacht nicht hier gewesen. Der Einzige, der hier nachts umherirrte, war ich selbst gewesen.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer keimte in mir auf, dass dieser Albtraum ein Schlussstrich war.
Aber so richtig daran glauben konnte ich nicht.
»Papier und Stift hätten es auch getan«, sagte ich mit Blick auf mein 'Gemälde'.
Meine Aufgabe für diesen Tag war klar definiert: Diesen Scheiß von der Wand beseitigen. Sollte Beverly hier überraschend früher wieder auftauchen (was ich allerdings für äußerst unwahrscheinlich hielt), sollte sie das auf keinen Fall sehen. Das Gleiche galt natürlich auch für Peter.
Das Frühstück ließ ich aus, weil mir immer noch schlecht war. Ich holte mir einen starken Küchenreiniger, einen großen Schwamm und einen Eimer voll Wasser. Ich wollte diese Schrift so schnell wie möglich los werden. Sie war mir unheimlicher als der Traum selbst.
Ich begann die ersten Buchstaben, die jeweils größer als dreißig
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