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Gejagt

Gejagt

Titel: Gejagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast , Kristin Cast
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vorkam, auch wenn ich hier noch nie gewesen war. Das Wasser roch nach Salz und Fisch, und ihm war eine Tiefe und Fülle zu eigen, eine Weite, an der ich das Meer spürte, obwohl ich noch nie an einer Küste gewesen war. Die Sonne ging unter, und der Himmel erstrahlte in einer schwindenden Pracht, die an Herbstblätter erinnerte. Ich saß auf einer Marmorbank, so weiß wie ein Mondstrahl. Sie hatte Ornamente aus kunstvollen Blumen und Ranken und wirkte, als gehörte sie weit weg und in eine andere Zeit. Ich ließ die Hand über die glatte Lehne gleiten, in der sich noch die Wärme des verblassenden Tages hielt. Es kam mir vor, als wäre ich wirklich dort, als wäre das gar kein Traum. Dann sah ich über die Schulter nach hinten, und meine Augen wurden groß. Wow! Hinter mir stand ein Palast mit herrlichen Bogenfenstern und -türen, alles in makellosem Weiß, und hinter den glänzenden Fensterscheiben sah man wunderschöne Säulen und Kristalllüster, die an Hochzeitstorten erinnerten und im Abendlicht glitzerten.
    Ich war völlig sprachlos und freute mich unglaublich, dass mein schlafendes Ich sich so was ausdenken konnte, aber ein bisschen verwirrt war ich schon. Es wirkte alles so real. Und so vertraut. Warum?
    Ich wandte den Blick wieder dem Meer zu und sah auf der anderen Seite eine hohe Kathedrale und kleine Boote und alle möglichen sonstigen erstaunlichen Sachen, die ich mir nie im Leben allein hätte ausdenken können. Vom Wasser wehte ein sanfter Abendwind, in dem die satten, reichen Düfte des dunklen Meeres mitschwangen. Ich atmete tief ein und genoss dieses einzigartige Erlebnis. Okay, manche Leute würden sagen, es stank, aber das fand ich überhaupt nicht, ich war einfach –
    Heilige Scheiße! Ein furchtbarer Schauder der Angst rann mir den Rücken herunter. Ich wusste, warum mir alles so bekannt vorkam.
    Erst vor ein paar Tagen hatte Aphrodite mir diesen Ort beschrieben. Nicht im Detail. Sie hatte sich nicht an alles erinnern können, aber was sie erwähnt hatte, hatte bei mir einen extrem genauen, beunruhigenden Eindruck heraufbeschworen. So genau, dass ich das Wasser und das Schloss und dieses Gefühl von Alter und Würde wiedererkannte.
    Dies war der Ort, den Aphrodite in der zweiten Vision von meinem Tod gesehen hatte.

Dreiundzwanzig
    » D a bist du ja. Und diesmal bist du es, die mich zu einem Ort ihrer Wahl bringt, statt dass ich dich zu mir rufe.«
    Wie aus der leeren Luft trat Kalona plötzlich neben die Marmorbank. Ich sagte kein Wort. Ich hatte zu viel damit zu tun, mein panisch pochendes Herz zu beruhigen.
    »Deine Göttin ist erstaunlich«, sagte er ganz locker und freundlich, nachdem er sich neben mich gesetzt hatte. »Ich kann spüren, welche Gefahr an diesem Ort auf dich lauert. Mich wundert, dass sie dir gestattet, hier zu sein, vor allem da sie wissen müsste, dass du mich zu dir rufen würdest. Ich nehme an, sie will dich warnen, dich auf das Kommende vorbereiten, aber sie deutet meine Absichten falsch. Ich will die Vergangenheit wieder auferstehen lassen, und dazu muss die Gegenwart sterben.« Er verstummte und machte eine geringschätzige Handbewegung über den prächtigen Anblick des Meeres und des jenseitigen Ufers. »All das bedeutet mir nichts.«
    Ich kapierte überhaupt nicht, wovon er redete, und als ich schließlich meine Stimme wiederfand, war alles, was ich herausbrachte, der geniale Kommentar: »Ich hab dich nicht gerufen.«
    »Natürlich hast du das.« Sein Ton war so vertraulich und neckisch, als wäre er mein Freund, und ich würde mich ein bisschen zieren, zuzugeben, wie gern ich ihn hatte.
    »Nein«, sagte ich, »ich hab dich nicht gerufen. Keine Ahnung, wovon du redest.«
    »Oh, das war nichts von Bedeutung. Ich habe nur laut gedacht. Die Zeit wird zeigen, was ich meine. Aber erkläre mir, A-ya: wenn du mich nicht gerufen hast, wie kommt es dann, dass ich deinen Traum teile?«
    Mit aller Kraft kämpfte ich gegen die Verlockung an, die allein seine Stimme schon jetzt auf mich ausübte, und drehte langsam den Kopf. Wie schon das letzte Mal sah er jung aus, vielleicht wie achtzehn oder neunzehn. Er trug bequeme, lose Jeans mit so einer natürlichen, sexy Lieblingsjeans-Aura. Und das war’s. Keine Schuhe, nichts am Oberkörper. Nur die Flügel, die absolut phänomenal aussahen: schwarz wie der Nachthimmel, und im schwindenden Licht haftete ihnen ein ganz eigener, seidiger Glanz an. Seine makellose bronzene Haut schien von innen heraus zu leuchten. Sein Körper war

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