Gejagt
meinem Bett lagen. Während ich ihm weiter in die Augen sah und mich fragte, was zum Henker ich hier vor allen Leuten zu ihm sagen sollte, ergriff Erin das Wort.
»Kein Wunder, dass sie besser aussieht als gestern, als du dich über Becca hergemacht hast.«
»Ja, ich würde sagen, jeder, der so was mit ansehen muss, sieht ’n bisschen mitgenommen aus.«
Stark brach den Blickkontakt mit mir ab. Ich sah seine Augen gefährlich rot aufflammen, als er sich vor den Zwillingen aufbaute. »Ich red mit Zoey, nicht mit einer von euch. Verpisst euch gefälligst.«
Etwas an seiner Stimme war zutiefst bedrohlich. Nicht dass er schrie. Auch sein Gesichtsausdruck veränderte sich kaum. Aber was er ausstrahlte, hatte was von einer zusammengerollten Schlange, aufgestört und wutentbrannt und kurz vorm Zustoßen. Ich betrachtete ihn noch genauer und sah etwas in der Luft um ihn herumwabern, wie Hitzewellen über einem Kupferdach im Sommer. Ich weiß nicht, ob die Zwillinge es auch bemerkten, aber sie spürten etwas, so viel war sicher. Beide erbleichten, aber ich widmete ihnen kaum einen Blick. Ich konnte die Augen nicht von Stark abwenden, denn ich wusste, dass vor mir das Monster stand, von dem er gesprochen hatte. Die blitzartige Veränderung erinnerte mich an Stevie Rae – bevor sie ihre Menschlichkeit wiedergefunden hatte.
War das der Grund, warum ich mir so viele Gedanken um Stark machte? Weil ich miterlebt hatte, wie Stevie Rae mit denselben finsteren Impulsen gerungen und die Oberhand über sie gewonnen hatte, und weil ich mir wünschte, auch er möge gewinnen?
Also, das mit Stevie Rae hatte mich jedenfalls eines gelehrt, und das war, dass ein Jungvampyr in dieser Lage extrem gefährlich sein konnte.
In sehr ruhigem Tonfall fragte ich: »Was wolltest du mir sagen, Stark?«
Ich konnte den Kampf sehen, der sich auf seinem Gesicht abzeichnete, als der Junge, den ich kannte, mit dem Monster rang, das unzweifelhaft am liebsten über den Tisch gehechtet wäre und die Zwillinge erwürgt hätte. Schließlich lenkte er den Blick wieder auf mich. Seine Augen glühten noch leicht rötlich, als er sagte: »Ich wollte nicht wirklich was sagen. Ich hab nur das gefunden. Das gehört doch dir, oder?« Er hob die Hand. Sie war um meine Handtasche gekrampft.
Ich sah ihn an, dann wieder die Tasche, und erinnerte mich daran, was er in der Nacht über Handtaschen gesagt hatte. Als ich wieder zu ihm aufsah, lächelte ich. »Danke, ja.«
Ich nahm sie entgegen, und als unsere Hände sich berührten, sagte ich: »Mir hat mal ein Junge gestanden, dass Mädchenhandtaschen ihn an Spinnen erinnern.«
Wie ausgeknipst erlosch das rote Licht in seinen Augen. Die schreckliche Aura um ihn war verschwunden. Einer seiner Finger legte sich über meinen und hielt ihn einen flüchtigen Augenblick lang fest. Dann ließ er die Handtasche und meine Hand los. »Spinnen? Hast du ihn da wirklich richtig verstanden?«
»Da bin ich ganz sicher. Vielen Dank noch mal, dass du das gefunden hast.«
Er zuckte mit den Schultern, drehte sich um und schlenderte hinaus.
Sobald er weg war, fing unter den Mädchen (außer den Zwillingen und mir) sofort aufgeregtes Getuschel an, wie scharf Stark doch war. Ich aß schweigend mein Frühstück.
»Okay, der ist so was von strange«, sagte Shaunee.
»War Stevie Rae auch so, bevor sie sich gewandelt hat?«, fragte Erin.
Ich nickte. »Prinzipiell ja.« Mit gesenkter Stimme fügte ich hinzu: »Habt ihr was in der Luft um ihn bemerkt? Wie so ein komisches Wabern oder einen besonders dunklen Schatten?«
»Nee, ich war leider komplett damit beschäftigt, mich zu fragen, ob er mich gleich auffrisst. Um ihn herum hab ich nichts bemerkt.«
»Ich auch nicht«, sagte Shaunee. »Bist du deshalb so ungerührt? Weil er dich an Stevie Rae erinnert?«
Ich hob eine Schulter und war froh, dass ich den Mund voll Count Chocula hatte, so dass ich nicht viel dazu sagen musste.
»Hey, mal ehrlich, ich weiß, wie es in Kramishas Gedicht hieß und so«, sagte Erin. »Aber du solltest auf dich aufpassen. Mit dem Kerl ist massiv was faul.«
»Außerdem muss das Gedicht nicht von ihm handeln«, gab Shaunee zu bedenken.
Ich schluckte. »Leute, müssen wir unbedingt genau jetzt darüber reden?«
»Nee. Ist ja auch total unwichtig«, sagte Shaunee eilig.
»Genau«, bestätigte Erin. Dann fügte sie hinzu: »Willst du nicht nachschauen, ob er dir auch nichts geklaut hat?«
»Ja, von mir aus.« Ich ließ die Handtasche aufschnappen, spähte
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