Gejagt
bekam und auch unter den Spitznamen Arbeitsblatt-Queen und Umpa Lumpa bekannt war – je nachdem, ob sie ihr M&M-blaues Hängekleid anhatte oder nicht.
Professor Penthesilea war definitiv assimiliert.
Als Nächstes kam Spanisch. Nicht nur, dass ich mit Spanisch II hoffnungslos überfordert war (Himmel, schon Spanisch I war mir zu schwer gewesen!), Professor Garmy hatte sich außerdem in eine Antilehrerin verwandelt. Wo wir bisher Immersionsunterricht gehabt hatten – das heißt, praktisch die ganze Stunde lief auf Spanisch ab –, huschte sie jetzt nervös durch den Raum, um uns bei der schriftlichen Beschreibung des Bildes zu helfen, das sie aufs Whiteboard projiziert hatte. Es zeigte ein paar Katzen, äh,
gatos
, die sich in einem Knäuel Garn, äh,
hilo
oder so, verstrickt hatten. (Ganz ehrlich, meine Spanischbegabung hält sich in Grenzen.) Ihre Vampyrtattoos sahen aus wie Federn, und bisher hatte sie mich immer an einen kleinen spanischen Vogel erinnert. Jetzt benahm sie sich wie ein neurotischer Spatz, wie sie so von Schüler zu Schüler flatterte und dabei wirkte wie kurz vorm Nervenzusammenbruch.
Assimilierter Prof Nummer zwei.
Aber ich hätte trotzdem alles darum gegeben, den ganzen Tag in Prof Garmys sinnloser Spanischstunde sitzen bleiben zu dürfen, wenn ich dafür meine dritte Stunde hätte schwänzen dürfen: Vampyrsoziologie IV bei – dreimal dürft ihr raten – Neferet.
Seit dem ersten Tag im House of Night hatte ich mich dagegen gewehrt, in einen höheren Vampsozi-Kurs gesteckt zu werden. Zuerst, weil ich einfach nur dazugehören wollte. Ich wollte nicht die komische Untersekundanerin (Zehntklässlerin) sein, die in Oberprimaner-(Dreizehntklässler)-Vampsozi saß, weil sie ›was Besonderes‹ war. Ich meine, würg.
Na ja, mir war schnell klargeworden, dass ich leider keine Chance hatte, inkognito zu bleiben. Seither hatte ich einigermaßen gelernt, mit meiner Besonderheit und der damit einhergehenden Verantwortung (und den Peinlichkeiten) klarzukommen. Aber egal wie gründlich ich mir eingeredet hatte, dass Vampsozi nur eine Stunde wie alle anderen war, ich war trotzdem nervös.
Natürlich war es nicht gerade hilfreich, dass Neferet das Fach unterrichtete.
Ich kam herein, fand einen Platz ganz hinten, machte mich darauf so klein wie möglich und versuchte, den Eindruck von so ’ner Trantütenschülerin zu vermitteln, die jede Stunde verschläft und nur aufwacht, um wie eine Schnecke in einer Schleimspur aus Gähnen und knallroten Druckstellen auf der Stirn von Klassenzimmer zu Klassenzimmer zu kriechen.
Meine Trantütennummer hätte sogar funktioniert, wenn Neferet auch assimiliert gewesen wäre. Aber leider war das nicht der Fall. Neferet vibrierte vor Macht und etwas, was weniger gut informierte Leute vielleicht für Glück gehalten hätten. Ich erkannte es als hämische Freude. Neferet war wie eine aufgeblähte Spinne, die sich in ihrem Triumph über die Opfer sonnte, denen sie den Kopf abgebissen hatte, und sich schon verzückt auf das nächste Massaker freute. (Ganz nebenbei, Damien wäre höchst erfreut gewesen, wie viele seiner hochgestochenen Ausdrücke ich mir gemerkt hatte.)
Außer der Tatsache, dass sie mich an eine Spinne erinnerte, bemerkte ich wieder mal, dass Neferet nicht das Symbol der Nyx trug – eine silberne Göttinnenfigur mit erhobenen Armen, die eine Mondsichel zwischen den Händen barg. Stattdessen hing von ihrem Hals eine goldene Kette mit einem Anhänger aus pechschwarzem Stein in Form eines Flügelpaars. Ich fragte mich – nicht zum ersten Mal –, warum niemand zu bemerken schien, wie verderbt sie war. Ich fragte mich auch, warum niemand die finstere Energie bemerkte, die sie umgab.
»In der heutigen Stunde beschäftigen wir uns mit einigen Fähigkeiten, die nur Vampyren und manchen weit entwickelten Jungvampyren zu eigen sind. Daher braucht ihr eure Lehrbücher im Augenblick nicht, außer ihr wollt euch im Kapitel über Physiologie ein paar ergänzende Notizen machen. Bitte schlagt euren Text auf Seite 426 auf, das Kapitel über die Tarnung.« Es bereitete Neferet keine Mühe, die Klasse zu fesseln. In ihrer strahlenden Majestät schritt sie vor der Tafel hin und her, ganz in Schwarz, nur der Saum ihres Kleides war mit einem Garn gefasst, das aussah wie flüssiges Gold. Ihr kastanienrotes Haar war zurückfrisiert, nur wenige spiralförmige Lockensträhnen wippten spielerisch um ihr wunderschönes Gesicht. Es war ein Vergnügen, ihrer
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