Gejagt
ich.
Erik zögerte kurz, dann schob er den Vorhang beiseite, und wir spähten hinein. Es war eine ziemlich kleine Sackgasse, und Dallas besaß kein Bett, nur ein paar übereinandergelegte Matratzen. Aber über die war eine knallrote Federdecke mit passenden roten Kissen gebreitet (unter der Decke wölbte sich ein längliches Etwas, das wohl der schlafende Dallas war), und es gab einen Tisch, auf dem einige Gegenstände herumlagen, die in dem schwachen Licht nicht zu erkennen waren, mit ein paar schwarzen Sitzsäcken darum. An der nach außen gerundeten Wand über dem Bett hing ein Poster von … Ich kniff die Augen zusammen …
»Jessica Alba in
Sin City
«, sagte Erik leise, um Dallas nicht zu wecken. »Der Junge hat Geschmack.«
Ich zog die Elvis-Tür zu und funkelte ihn finster an.
»Was?«, fragte er. »Sie hängt ja nicht in
meinem
Schlafzimmer.«
»Komm, suchen wir endlich die anderen«, sagte ich und marschierte weiter.
Ein paar Minuten herrschte wieder Stille. »Hey«, sagte er dann. »Ich schulde dir einen Riesendank.«
Ich sah zu ihm hinüber. »Mir? Wofür?«
Er blickte mir in die Augen. »Dass du mich davor bewahrt hast, in dem Chaos beim House of Night zurückzubleiben.«
»Davor hab nicht ich dich bewahrt. Du hast dich aus deinem eigenen freien Willen heraus entschieden, mit uns zu kommen.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß genau, dass du mich gerettet hast. Ohne dich hätte ich den freien Willen nicht gehabt.«
Er hielt an, legte mir die Hand auf den Arm und zwang mich mit sanftem Druck, ihn anzusehen. Ich sah ihm in die leuchtend blauen Augen, umrahmt von seinem Vampyr-Tattoo, einem filigranen Muster in Form einer Maske, was seinen umwerfenden Clark-Kent-Superman-Look in Richtung Zorro veränderte und noch umwerfender machte. Aber Erik war mehr als nur mega-attraktiv. Erik war begabt und ein echt netter Kerl. Es wurmte mich, dass ich uns durch meine Blödheit auseinandergebracht hatte. Trotz allem, was passiert war, wäre ich gern wieder seine Freundin gewesen. Ich wünschte mir, er könnte mir wieder vertrauen. Ich vermisste ihn so sehr …
»Ich vermisse dich so!« Ich merkte erst, dass ich laut gesprochen hatte, als seine Augen sich weiteten und seine sexy Lippen sich kräuselten.
»Ich bin genau hier.«
Ich spürte, wie mein Gesicht vom Hals aufwärts glühend heiß wurde, und mir war klar, dass ich hässlich knallrot angelaufen war. »Ich hab damit nicht gemeint, dass du neben mir stehst«, sagte ich lahm.
Sein Lächeln vertiefte sich. »Willst du wissen, wie du mich gerettet hast?«
»Ja, gern.« Ich hätte mir gewünscht, ich könnte mein Gesicht kühlen, damit ich nicht mehr wie eine überreife Tomate aussah.
»Du hast mich gerettet, weil Kalonas betörender Zauber nicht an mich herankam. Denn in meinem Kopf warst du.«
»Ich?«
»Weißt du eigentlich, wie unglaublich du warst, als du den Kreis beschworen hast?«
Ich schüttelte den Kopf, gefesselt von dem Strahlen seiner blauen Augen. Ich wollte ganz still stehenbleiben und nicht einmal mehr atmen, um nur ja nicht zu zerstören, was gerade zwischen uns geschah.
»Du warst atemberaubend – wunderschön und voller Macht und Selbstvertrauen. Du warst alles, woran ich denken konnte.«
»Ich hab dich in die Hand geschnitten«, war alles, was ich irgendwie herausbrachte.
»Das war nötig. Es gehörte zum Ritual.« Er hob die Hand und drehte mir die Handfläche zu, damit ich die dünne Linie sehen konnte, die über das Muskelkissen unter seinem Daumen lief.
Ich fuhr mit dem Finger daran entlang. »Mir hat es total widerstrebt, dich zu verletzen.«
Er umschloss meine Hand mit seiner und drehte sie so, dass die saphirblauen Tattoos in meiner Handfläche zu sehen waren. Ganz ähnlich wie ich fuhr er mit dem Finger über meine Haut. Ich erschauerte, zog die Hand aber nicht zurück.
»Ich habe keinen Schmerz gefühlt, als du mich geschnitten hast. Alles, was ich fühlte, warst du. Die Wärme deines Körpers. Wie du riechst. Wie du dich in meinen Armen anfühlst. Deshalb hatte diese Kreatur keinen Einfluss auf mich. Deshalb habe ich Neferet nicht geglaubt. Du hast mich gerettet, Zoey.«
»Nach allem, was zwischen uns passiert ist, kannst du das noch sagen?« Meine Augen füllten sich mit Tränen, und ich musste heftig blinzeln, damit sie nicht überquollen.
Ich sah, wie Erik tief Atem holte. Er sah aus, als ob er kurz vor dem Absprung von einer hohen, gefährlichen Klippe stünde. Dann sagte er in einem Atemzug:
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