Gejagt
die von einer bösen Hexe vergiftet worden ist, und wartet auf den Prinzen, der sie befreit.«
Ich starrte mein Zuhause an, das zu einer Art ›vertrautem Fremden‹ geworden war, und sagte: »Denkt daran, dass Prinzessinnen immer von ’nem schrecklichen Drachen bewacht werden.«
»Ja, oder von so was wie dem Balrog im
Herrn der Ringe
«, sagte Damien.
»Ich fürchte, der Vergleich mit einem Dämon ist zutreffender, als uns lieb ist«, sagte Darius.
»Was ist das?«, fragte ich in diesem Moment, und weil ich nicht in der Lage war, die Hände zu heben, nickte ich mit dem Kinn in die Richtung, die ich meinte, leicht links von uns.
Aber ich hätte gar nichts sagen müssen. Momente später sahen wir alle, was die Bewegung verursacht hatte. Der Hummer war umzingelt. In Sekundenschnelle geriet die Nacht über uns in Bewegung, und Rabenspötter segelten rings um das Auto zu Boden. Hinter dem Kreis, den sie bildeten, wurde die Gestalt eines hünenhaften, narbenübersäten Kriegers sichtbar, den ich nicht kannte. Mit grimmiger, bedrohlicher Miene trat er zwischen die Vogelwesen.
»Dies ist nun also einer meiner Brüder, ein Sohn des Erebos, der mit den Feinden gemeinsame Sache macht«, sagte Darius leise.
»Was bedeutet, dass auch die Söhne des Erebos unsere Feinde sind«, gab ich zurück.
»Priesterin, zumindest was diesen Krieger angeht, muss ich dir leider zustimmen.«
Siebzehn
D arius stieg als Erster aus. Sein Gesicht war ausdruckslos, wodurch er unbeugsam und selbstsicher und vollkommen undurchschaubar wirkte. Ohne auf die Rabenspötter zu achten, die ihn aus ihren gruseligen Augen anstarrten, begrüßte er den Krieger, der mitten unter ihnen stand.
»Sei gegrüßt, Aristos.« Ich sah, wie er die Faust zu einem raschen Salut über dem Herzen ballte, aber er verneigte sich nicht. »Ich habe mehrere Jungvampyre bei mir, darunter eine junge Priesterin. Sie ist ernstlich verwundet und bedarf dringender medizinischer Hilfe.«
Ehe Aristos antworten konnte, legte der Größte der Rabenspötter der Kopf schief und fragte: »Welche Priesterin ist es denn, die ins House of Night zurückkehrt?« Selbst hier drinnen im Auto überlief mich ein Schauder, als ich die Stimme der Kreatur hörte. Diese hier hörte sich menschlicher an als diejenige, die mich angegriffen hatte, aber dadurch wurde sie nur noch furchteinflößender.
Gewollt langsam wandte Darius seine Aufmerksamkeit dem grässlichen Nicht-Mensch-nicht-Vogel-Wesen zu. »Ich kenne dich nicht, Kreatur.«
Die Augen des Rabenspötters verengten sich. »Du Sohn eines Menschen, du magst mich Rephaim nennen.«
Darius ließ sich nicht beeindrucken. »Ich kenne dich immer noch nicht.«
»Du wirst mich kennenlernen«, zischte Rephaim und riss den Schnabel so weit auf, dass ich in seinen Schlund sehen konnte.
Darius ignorierte das Ding und wandte sich wieder Aristos zu. »Wie bereits gesagt, bei mir sind eine verwundete Priesterin und einige Jungvampyre, denen etwas Ruhe sehr guttäte. Erlaubst du uns zu passieren?«
»Ist es Zoey Redbird, die du bei dir hast?«, fragte Aristos.
Bei meinem Namen horchten sämtliche Rabenspötter auf und richteten die Augen auf den Hummer. Dabei flatterten sie vor unterdrückter Aufregung mit den Flügeln, und ihre Glieder zuckten. Noch nie in meinem Leben war ich so froh über getönte Scheiben gewesen.
»Ja«, erwiderte Darius knapp. »Lässt du uns nun passieren?«
»Natürlich«, sagte Aristos. »Alle Jungvampyre wurden gebeten, wieder in die Schule zurückzukehren.« Er deutete auf den Schulkomplex. Durch die Geste fiel das Licht der nächsten Gaslaterne auf die Seite seines Halses, und ich sah dort eine rote Linie, als wäre er vor kurzem verwundet worden.
Darius nickte angespannt. »Ich werde die Priesterin in die Krankenstation tragen. Sie kann nicht alleine laufen.«
Als Darius sich schon zum Wagen umdrehte, fragte Rephaim: »Ist die Rote bei dir?«
Darius warf einen Blick zurück. »Ich weiß nicht, was du damit meinst«, sagte er ohne jede Regung.
Im Bruchteil einer Sekunde breitete Rephaim seine beeindruckenden schwarzen Schwingen aus und flog auf die Motorhaube des Hummers. Das Knirschen des Metalls unter seinem Gewicht wurde von dem kollektiven Fauchen der Katzen übertönt. Die Menschenhände wie Klauen gekrümmt, beugte sich Rephaim drohend über Darius. »Lüg mich nicht an, Menschensssssohn! Du weißßßßßßt, dasssss ich von der roten Vampyrin spreche!« Mit seiner wachsenden Wut wurde seine Stimme weniger
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