Gejagte Der Dämmerung -9-
und griff nach einem der sauberen Waschlappen, die säuberlich gefaltet auf der Kommode lagen. Sie hielt ihn unter den Wasserhahn der Wanne und wrang das warme Wasser aus, während sich Hunter über das Waschbecken neben der Tür beugte.
Sie war die ganze Nacht wütend auf ihn gewesen, weil er einfach gegangen war, ohne ihr etwas zu sagen. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass er bei seinem gefährlichen Job für den Orden womöglich getötet worden war. Jetzt war sie einfach nur erleichtert, dass er heil wieder zurückgekommen war, auch wenn er aussah, als käme er direkt aus einem Kriegsgebiet.
Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und sah zu, wie er kaltes Wasser ins Waschbecken laufen ließ und sich das Gesicht schrubbte. Als er fertig war, schöpfte er sich mit der Hand Wasser in den Mund, gurgelte und spuckte aus. Das tat er mehrmals, als könnte er einen hartnäckigen Geschmack nicht loswerden, egal wie sehr er es versuchte. Wasser tropfte von seinem Kinn, als er zu ihr hinübersah, die kantigen Winkel seines Gesichtes schienen im hellen Schein der Lampe über dem Waschtisch noch ausgeprägter.
»Dein Hemd ist auch hinüber«, sagte sie und bemerkte, dass auch der schwarze Stoff seiner Kampfmontur blutgetränkt war. Sie ging zu ihm hinüber und legte den feuchten Waschlappen auf den Rand des Waschbeckens. Er sagte nichts, als sie den Saum seines klebrigen, blutgetränkten Hemdes anhob und seinen glyphen bedeckten Oberkörper und seine breite, muskulöse Brust entblößte. Er machte ihr Platz, als sie das Waschbecken mit kaltem Wasser volllaufen ließ und das Hemd hineinlegte. Unterdessen schrubbte er sich mit dem Waschlappen sauber und ließ ihn dann blutig ins Waschbecken zu seinem Hemd fallen.
»Du hast Henry Vachon gefunden.« Es war keine Frage, denn sie hatte den Beweis, als das Wasser im Waschbecken sich rot färbte. Sie sah Hunter an, der ernst nickte. »Du hast ihn umgebracht?«
Sie erwartete, dass er es sachlich und emotionslos bestätigte, so wie er sonst immer reagierte. Stattdessen nahm Hunter sanft ihr Gesicht in seine Hände, senkte den Kopf und küsste sie mit einer Behutsamkeit, die ihr den Atem nahm. Als sein Mund sich wieder von ihrem löste, sah er ihr ruhig, aber mit wilder Intensität in die Augen. »Henry Vachon wird dir nie wieder etwas tun.«
Corinne spürte, wie sie unter Hunters zärtlichem Kuss dahinschmolz. Und auch ihr Herz schmolz ein wenig, gewärmt davon, wie vorsichtig er sie jetzt berührte und wie zärtlich er sie mit seinen hypnotisierenden goldenen Augen ansah. Sie hätte beides gerne länger ausgekostet, aber jetzt bildete sich in ihrem Magen ein eisiger Angstklumpen.
Vachon war tot. Die Neuigkeit, dass eines der Monster aus dem schlimmsten Albtraum ihres Lebens nicht mehr am Leben war, hätte sie freuen sollen. Das tat es auch, aber mit Henry Vachons Tod war die Verbindung zu Dragos – die einzige Verbindung, die Corinne hatte, um ihren Sohn zu finden – nun ebenfalls gekappt.
Zögernd entzog sie sich Hunters sanften Händen. »Hast du noch etwas über Dragos oder seine Operation aus ihm herausbekommen?«
Hunter nickte ernst. »Nachdem ich mit ihm fertig war, habe ich in einem anderen Stadtteil ein Lagerabteil mit Laborausrüstung gefunden und mit einem Safe mit elektronischen Daten und Aktenordnern voller Fotos und Notizen aus dem Labor.«
Ein schwacher Hoffnungsfunken glomm in ihr auf. »Was für Akten? Was für Laborausrüstung? Wo ist dieses Lagerabteil? Wir müssen hin und das alles genau untersuchen. Dieses Material kann uns direkt zu Dragos führen.«
Hunter nickte. »Ich habe alles mitgenommen. Es ist in einem Laster, den ich hinter dem Haus beim Sumpf versteckt habe. Aber du hast recht. Es müssen Hinweise dabei sein, die den Orden zu Dragos führen können. Ich will das alles so bald wie möglich nach Boston schaffen.«
Am liebsten wäre Corinne aus dem Haus zu diesem Laster gerannt, um alles zu durchwühlen, was er gefunden hatte. Sie hatte das sichere Gefühl, dass der entscheidende Hinweis, der zu ihrem Sohn führte, irgendwo in diesen Akten und Laborunterlagen verborgen war. Das musste er einfach, oder sie hatte so gut wie keine Chance mehr, ihr Kind jemals wiederzusehen.
Sie sah zu Hunter auf und wusste, dass es falsch gewesen war, ihm die Existenz ihres Sohnes zu verheimlichen, dass sie ihn hintergangen hatte. Sie starrte in seine ernsthaften Augen, die sie so eindringlich ansahen, und spürte, wie dasselbe Schuldgefühl sich in ihr regte
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