Gejagte Der Dämmerung -9-
wie schon vorhin. Er küsste sie wieder, und ihre Schuldgefühle wurden noch schlimmer, noch bohrender angesichts der Tatsache, dass Hunter so sanft und lieb zu ihr war.
Corinne blickte beschämt zu Boden, jetzt hatte sie wirklich Angst. »Ich muss dir was sagen«, sagte sie leise. »Ich hätte es dir schon lange sagen sollen. Ich hätte dir erzählen sollen, was in Dragos’ Kerker mit mir passiert ist, aber ich hatte Angst. Ich musste erst sicher sein, dass ich dir vertrauen kann …«
»Ich weiß, was sie mit dir gemacht haben.« Seine tiefe Stimme vibrierte in ihren Knochen, und er hob ihr Kinn, bis sie ihm wieder in die Augen sah. »Ich weiß, was Dragos und Vachon dir in der Nacht deiner Entführung angetan haben. Ich weiß, wie sie dich vergewaltigt haben.«
Das war nicht, was sie ihm hatte verraten wollen, aber trotzdem brannte Corinne der Atem in den Lungen. Sie war verwirrt, entsetzt. Ihr war ganz elend beim Gedanken, dass Hunter von ihrer tiefsten Demütigung wissen konnte. In jener Nacht hatte sie sterben wollen; ein Teil von ihr war auch gestorben, als man ihr auf so entsetzliche Weise die Unschuld geraubt hatte. Ihre Stimme zitterte ein wenig. »W… woher weißt du das?«
»Vachon. Er hat damit geprahlt, kurz bevor ich ihn getötet habe.« In Hunters goldenen Augen glühten bernsteinfarbene Lichtfunken. »Ich habe ihm mit den Fängen die Kehle aufgerissen. Ich konnte meine Wut nicht kontrollieren, als mir klar wurde, was dieser sadistische Hundesohn dir angetan hat – und dass er es genossen hat.«
Corinne lauschte seinem Bericht, vorübergehend von ihrem Geständnis abgelenkt. Sie konnte kaum glauben, dass dieser steife, disziplinierte Krieger ihr gerade sagte, dass er die Kontrolle verloren hatte.
Wegen etwas, was man ihr angetan hatte.
»Ich habe dafür gesorgt, dass er einen qualvollen Tod hatte«, fuhr Hunter fort. »Ich wollte, dass er leidet. Ich wollte ihn bluten sehen.«
Und geblutet hat er, dachte Corinne, weniger abgestoßen als verblüfft vom Ausmaß der Gewalt, die Hunter dem anderen Mann angetan hatte. So, wie er noch vor ein paar Minuten ausgesehen hatte, musste er praktisch in Vachons Blut gebadet haben.
»Es war sein Blut, das mir gezeigt hat, was er getan hat, Corinne. Ich habe Henry Vachons Untaten gesehen, all seine Geheimnisse. Sein Blut hat mir alles gezeigt.«
Sie runzelte die Stirn, unsicher, was er ihr damit sagen wollte. »Das verstehe ich nicht.«
»Ich verstehe es auch erst seit heute Nacht«, sagte Hunter. »Als ich Vachon die Zähne in den Hals geschlagen habe, habe ich etwas von seinem Blut geschluckt. So was ist mir noch nie passiert. Sobald es mir die Kehle hinuntergelaufen ist, konnte ich plötzlich seine Erinnerungen sehen.«
»Du bist ein Blutdeuter«, antwortete sie. »Du hast bis jetzt gar nichts von deiner Gabe gewusst?«
Er schüttelte den Kopf. »Dragos hat dafür gesorgt, dass alle seine Killer so wenig wie möglich über ihre Abstammung wussten, oder über die Dinge, die sie einzigartig machen. Ich hatte keine Ahnung von meiner Gabe, bis Vachons ekelhaftes Blut sie geweckt hat.«
Und jetzt kannte er das ganze Ausmaß ihrer Entwürdigung. Herr im Himmel, konnte er wirklich mit angesehen haben, wie oft sie geschlagen und vergewaltigt worden war? Hatte er gesehen, wie man sie ausgezogen, ihren Widerstand gebrochen und sie unaussprechlichen Foltern unterzogen hatte, genau wie all die anderen Gefangenen in Dragos’ Kerkerzellen?
Corinne wandte sich von Hunter ab. Sie fühlte sich bloßgestellt und schmutzig, und sie schämte sich zutiefst. Es war ihr peinlich, dass er nun mit allen schrecklichen Einzelheiten ihrer Tortur vertraut war, an die nicht einmal sie selbst sich erinnern wollte. Langsam ging sie ins Schlafzimmer hinüber, brauchte Raum, um ihren Atem zu finden und ihre Gedanken zu sammeln.
Sie merkte nicht, dass Hunter ihr gefolgt war, bis sie seine warmen Hände spürte, die sich von hinten sacht auf ihre Schultern legten. Hunter drehte sie zu sich herum. Er sagte nichts, sondern legte einfach nur die Arme um sie und hielt sie fest, drückte sie an seinen starken, warmen Körper.
Corinne klammerte sich an ihn, sie brauchte das Gefühl seiner schützenden Arme zu sehr, um sich diesen Trost zu versagen. Hunter senkte den Kopf, hob ihr Kinn und küsste sie langsam und zärtlich. Seine nackte Brust war warm und samtweich unter ihren Händen, sie spürte die schwachen Erhebungen seiner Dermaglyphen und wie sich unter ihren wandernden
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