Gejagte Der Dämmerung -9-
erschöpft von der langen Fahrt und dem heftigen Streit mit Hunter vor einigen Stunden.
Aber vor allem war es der Gedanke, tatsächlich angekommen zu sein – dass sie jetzt nur noch wenige hundert Meter von der alten Blockhütte am Flussufer entfernt war, wo Nathan vielleicht lebte –, der all ihre Nervenenden in helle Alarmbereitschaft versetzte.
Wenn sie vorher nervös gewesen war, den Augenblick kaum hatte erwarten können, endlich ihren Sohn zu sehen und ihm das Leben zu geben, das sie sich so verzweifelt für ihn wünschte, hatte sie jetzt Angst davor. Miras Vision hatte alles verändert – Hunters Rolle in dieser Vision hatte sie dazu gebracht, alles anzuzweifeln, dessen sie sich bisher so sicher gewesen war.
Alles, außer dass Hunter sie liebte.
Das war das Einzige, was ihr jetzt Halt gab, als er den Motor des Kastenwagens abstellte, sie in der dunklen Fahrerkabine saßen und durch einen Waldgürtel von zwei Hektar die schwach erleuchtete Hütte beobachteten.
»Du schwörst, dass du sofort zurückkommst?«, fragte sie ihn. Er hatte sie zu diesem Ort mitgenommen, aber ihr ausdrücklich verboten, ihn ins Haus zu begleiten. »Bitte sei vorsichtig.«
Er nickte und steckte zwei Klingen in das Oberschenkelholster, das er über seiner schwarzen Drillichhose trug. Das langärmelige Hemd, das sie noch bei Amelie für ihn gewaschen und getrocknet hatte, vervollständigte seine Rückverwandlung zum Krieger, der sie vor noch gar nicht so langer Zeit von Boston nach Detroit gebracht hatte.
Aber jetzt war Hunter alles andere als stoisch oder undurchdringlich. Seine goldenen Augen streichelten sie zärtlich, er zog sie mit seiner starken Hand an sich und küsste sie. »Ich liebe dich«, sagte er wild. »Ich will nicht, dass du dir Sorgen machst.«
Sie nickte. »Ich liebe dich auch.«
»Bleib im Laster. Mach dich unsichtbar, bis ich wiederkomme.« Wieder küsste er sie, dieses Mal heftiger. »Es wird nicht lange dauern.«
Er ließ ihr keine Zeit, eine Diskussion anzufangen oder ihn hinzuhalten, sondern schlüpfte aus der Fahrerkabine und verschwand in der Dunkelheit.
Corinne saß da, wartete allein und bereute sofort, dass sie sich von ihm hatte überreden lassen, im Wagen zu bleiben. Was, wenn es Probleme gab? Wenn man ihn entdeckte, bevor er feststellen konnte, ob Nathan überhaupt in diesem Haus lebte? Wie lange sollte sie noch warten, bis …
In der nächtlichen Stille ertönte ein Schuss.
Corinne schreckte zusammen. Der plötzliche hellorange Lichtblitz explodierte ganz nahe bei der Vorderseite der Hütte, und das Geräusch hallte von den Bäumen wider wie ein Donnerschlag.
»Oh mein Gott. Hunter …«
Bevor sie sich davon abhalten konnte, kletterte sie auch schon aus dem Kastenwagen und rannte auf die Blockhütte zu. Sie hatte keine Ahnung, was sie machen würde, wenn sie dort ankam, nur dass sie sich irgendwie vergewissern musste, dass Hunter unverletzt war. So unbesiegbar er auch schien, er hielt ihr Herz in seinen Händen, und nichts hätte sie jetzt davon abhalten können, ihm zu folgen.
Sie roch den scharfen Geruch von Schießpulver, als sie sich der vorderen Veranda der Hütte näherte. Dort lag ein toter Mann ausgestreckt, ein langes, rauchendes Gewehr über der Brust. Sein Gesicht war zu einer erschrockenen Grimasse erstarrt. Man hatte ihm effizient das Genick gebrochen.
Hunter.
Er war hier vorbeigekommen.
Er war irgendwo in der Hütte.
Corinne schlich vorsichtig hinein. Sofort hörte sie Kampfgeräusche, die von unten kamen – aus dem Keller. Sie fand die Tür zur Treppe, die zu der Quelle der Unruhe hinunterführte, und als sie noch überlegte, wie idiotisch es wäre, da hinunterzugehen, explodierte die bemalte Holztür.
Von der Wucht der Explosion wurde sie nach hinten gegen die Wand geschleudert. Als sie nach dem Schock die Augen öffnete, starrte sie in ein Augenpaar, das genau wie ihr eigenes war – blaugrüne Iriskreise unter dunklen Wimpern und katzenartige, mandelförmige Lider. Die Augen sahen sie aus dem Gesicht eines Jungen an, eines schlanken, muskulösen Jungen von etwa eins siebzig, sein hübsches Gesicht war am Kinn immer noch kindlich gerundet.
Aber er war kein Junge, erkannte sie jetzt. Trotz der kalten Nacht trug er nur graue Trainingshosen und ein weißes Tank-Top. Sein Kopf war kahl rasiert, seine Haut von Dermaglyphen bedeckt. Und um den Hals trug er ein schreckliches, dickes schwarzes Halsband.
»Nathan«, keuchte sie.
Der Augenblick zog sich in die Länge. Er
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