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Gejagte Der Dämmerung -9-

Titel: Gejagte Der Dämmerung -9- Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian
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Er war nie einer gewesen, der den Rat oder die Vergebung einer höheren Macht suchte, und zum Beten war es für ihn wahrscheinlich auch zu spät.
    Für ihn gab es keine Hoffnung auf Absolution. Nicht von oben und nicht von Lucan oder seinen anderen Brüdern im Orden, nicht einmal von sich selbst.
    Stattdessen pflegte er seine Wut. Er genoss die Qual seiner Verletzungen, den feurigen Kuss seiner Schmerzen, die ihm das Gefühl gaben, lebendig zu sein. Das war so ziemlich das Einzige, was er überhaupt noch spüren konnte. Und so rücksichtslos und verzweifelt wie ein Junkie holte er sich dieses Gefühl so oft wie nur möglich.
    Es war besser als die Alternative.
    Schmerz war sein düsterer, perverser Kick, der ihn davor bewahrte, sich nach einer anderen, gefährlicheren Gebieterin zu verzehren.
    Denn ohne Schmerzen blieb ihm nur noch sein Hunger.
    Und wo das enden würde, wusste er.
    Sein Verstand war noch nicht so verloren wie sein Körper oder seine Seele; er sagte ihm, dass seine Gier ihn eines Tages töten würde. Es gab Nächte – in letzter Zeit immer mehr –, in denen ihm das schlicht egal war.
    »Sterling, bist du hier drin?«
    Er sah abrupt auf, diese Frauenstimme forderte seine ganze Aufmerksamkeit, genau wie vorhin im Korridor vor dem Aufzug. Mit schief gelegtem Kopf folgte er ihren Bewegungen, selbst als der Junkie in ihm sich nach Einsamkeit sehnte und sich in der Dunkelheit vor ihren Blicken verbergen wollte.
    Chase sammelte die Schatten um sich. Er griff tief in den Brunnen seiner übernatürlichen Gabe, die Dunkelheit seiner Umgebung anzuziehen und sich darin zu verbergen. Es kostete ihn Anstrengung, die Schatten herbeizurufen, und es fiel ihm noch schwerer, sie aufrechtzuerhalten. Schon einen Augenblick später ließ er sie wieder fallen und zischte einen heftigen Fluch. Sogar seine Schatten ließen ihn im Stich.
    »Sterling?«, rief Elise leise in die Kapelle.
    Vorsichtig trat sie ein, offenbar fühlte sie sich nicht ganz sicher mit ihm. Kluges Mädchen. Doch trotzdem blieb sie nicht stehen oder ging und ließ ihn allein, wie es ihm lieber gewesen wäre, sondern kam weiter auf ihn zu.
    »Ich war gerade in deinem Quartier, also weiß ich, dass du nicht dort bist.« Sie stieß einen Seufzer aus, er klang verwirrt und sehr traurig. »Du kannst dich vor mir verstecken, aber ich spüre doch, dass du hier bist. Warum antwortest du nicht?«
    »Weil ich dir nichts zu sagen habe.«
    Harte Worte. Und völlig unverdient, besonders von der Frau, die seit einem Jahr Tegans Stammesgefährtin war, und lange davor die trauernde Witwe von Chases Bruder. Quentin Chase hatte unendliches Glück gehabt, als Elise sich ihn zum Gefährten erwählte – und hatte keine Ahnung gehabt, dass sein jüngerer Bruder sich insgeheim nach seiner Schwägerin verzehrte.
    Wenigstens diese ungewollte Sehnsucht machte ihm inzwischen nicht mehr zu schaffen.
    Er hatte sich seine Obsession abgewöhnt. Sein angeschlagenes Ehrgefühl wollte glauben, dass es ihm gelungen war, über Elise hinwegzukommen, die ihr Herz einem anderen geschenkt hatte – einem seiner Waffenbrüder, der für sie töten und für sie sterben würde, genau wie sie für ihn.
    Tegans und Elises Liebe füreinander war unauflöslich, und obwohl Chase nie so weit gesunken war, das auszutesten, war die Sache einfach so, dass er Elise als eigentliches Objekt seiner Besessenheit durch seine Sucht nach Schmerzen ersetzt hatte.
    Und doch ertappte er sich immer noch dabei, dass er den Atem anhielt, als sie langsam immer weiter in die Kapelle kam und ihn in der hintersten Ecke auf dem Boden fand, den Rücken gegen die steinernen Wände gelehnt.
    Schweigend ging sie das kurze Stück zwischen den beiden hölzernen Bankreihen hindurch, setzte sich auf die Kante der Bank, die ihm am nächsten war, und starrte ihn einfach nur an. Er musste nicht zu ihr hinübersehen, um zu wissen, dass ihr hübsches Gesicht Enttäuschung zeigte. Wahrscheinlich auch Mitleid.
    »Vielleicht hast du mich nicht verstanden«, sagte er – kaum mehr als ein Fauchen. »Ich will nicht mit dir reden, Elise. Du solltest jetzt gehen.«
    »Warum?«, fragte sie und rührte sich nicht vom Fleck. »Damit du in Ruhe schmollen kannst? Quentin wäre entsetzt, dich so zu sehen. Er würde sich für dich schämen.«
    Chase stieß einen Grunzlaut aus. »Mein Bruder ist tot.«
    »Ja, Sterling. Gefallen im Dienst für die Agentur. Er ist ehrenhaft gestorben, hat sein Bestes gegeben, um diese Welt sicherer zu machen. Kannst du

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