Gejagte Der Dämmerung -9-
das gerade von dir behaupten?«
»Ich bin nicht Quent.«
»Nein«, sagte sie. »Das bist du nicht. Er war ein außergewöhnlicher Mann, ein mutiger Mann. Und du hättest sogar noch besser sein können als er, Sterling. Du hättest so viel mehr sein können als das, was ich hier vor mir sehe. Ich habe auch gehört, wie du dich in letzter Zeit auf deinen Missionen aufführst, musst du wissen. Ich habe dich allzu oft in diesem Zustand heimkommen sehen, zerrissen und aufgeladen. So voller Wut.«
Chase stand auf und stapfte ein paar Schritte fort von ihr, am liebsten hätte er das Gespräch beendet. »Was ich tue, ist meine Sache. Dich geht das nichts an, und ich gehe dich auch nichts an.«
»Verstehe«, antwortete sie stirnrunzelnd. Sie stand von der Bank auf und näherte sich ihm, die schlanken Arme vor der Brust verschränkt. »Dir ist es lieber, wenn jeder, dem du etwas bedeutest, dich einfach in Ruhe bluten lässt, ja? Du willst, dass ich und alle anderen dich einfach irgendwo in einer dunklen Ecke sitzen und in Selbstmitleid versinken lassen?«
Er schnaubte verächtlich und warf ihr einen wütenden Blick zu. »Sehe ich so aus, als versänke ich in Selbstmitleid?«
»Du siehst aus wie ein Tier«, antwortete sie. Ihre Stimme war leise, aber nicht vor Angst, wie er wusste. »Du benimmst dich wie ein Tier, Sterling. Wenn ich dich in letzter Zeit anschaue, habe ich das Gefühl, ich kenne dich gar nicht mehr.«
Er hielt ihrem verwirrten Blick stand. »Du hast mich nie gekannt, Elise.«
»Wir waren mal eine Familie«, erinnerte sie ihn sanft. »Ich dachte, wir wären Freunde.«
»Es war nicht Freundschaft, was ich von dir wollte«, antwortete er knapp und sah zu, wie sie dieses unumwundene Geständnis aufnahm, um das er sich bis jetzt aus Mangel an Courage immer herumgedrückt hatte. Als sie wachsam einen Schritt in den Gang zwischen den Bankreihen zurückwich, kicherte er selbstzufrieden. »Jetzt kannst du meinetwegen vor mir davonlaufen, Elise.«
Sie rannte nicht fort.
Dieser eine Schritt zurück war ihr einziges Zugeständnis an die Situation. Tegans Gefährtin war nicht länger das behütete Frauchen, das Quentin Chase geheiratet hatte. Sie war eine starke Frau, die durch ihre persönliche Hölle gegangen und nicht daran zerbrochen war. Sie würde auch jetzt nicht wegen Chase zerbrechen, selbst wenn er noch so gewaltsam versuchte, sie aus seinem Leben zu stoßen.
Als wollte er sich das beweisen, ging er jetzt auf sie zu.
Er war voller Blut und restlos verdreckt, und er konnte seinen eigenen Gestank selbst kaum ertragen. Aber obwohl ihn nur noch ein Zentimeter von Elises makelloser Schönheit trennte, wandte sie sich nicht ab. Ihre Miene war traurig und erwartungsvoll, noch bevor er den Mund öffnete, um die Worte auszusprechen, die alle Brücken zu seiner Vergangenheit abbrechen würden.
»Das Einzige, was ich je von dir wollte, Elise, war, dich ordentlich durchzuvö…«
Sie schlug ihn hart ins Gesicht, das Geräusch hallte durch die stille Kapelle, und ihre hellen veilchenfarbenen Augen glänzten im Kerzenlicht von unvergossenen Tränen.
Keine einzige fiel, nicht für ihn.
Wahrscheinlich nie wieder, so verletzt, wie sie ihn jetzt ansah.
Chase zog sich einen Schritt zurück und hielt sich die Wange, ihr Schlag brannte immer noch heiß auf seiner Haut.
Dann, ohne ein weiteres Wort oder einen Gedanken daran zu verschwenden, was vor ihm lag, floh er vor Elises vernichtendem Blick und rannte mit der ganzen Geschwindigkeit seiner Stammesgene durch den Treppenschacht der Kapelle in die Winternacht hinaus.
Corinne stand am Rand einer weitläufigen Marmorterrasse mit Blick auf den schneebedeckten Garten auf der Rückseite des Anwesens. Einen Augenblick allein, während Gabrielle im Haus Mäntel für sie holte, legte sie den Kopf zurück und atmete die kalte Dezemberluft tief ein. Der Winterhimmel über ihr war dunkel und wolkenlos, ein unendliches Meer von Mitternachtsblau, gesprenkelt mit hellen, glitzernden Sternen.
Wie lange war es her, seit sie den kühlen, leicht rauchigen Geruch des Winters in der Brise gerochen hatte?
Wann hatte sie zum letzten Mal frische Luft auf ihren Wangen gespürt?
Die Jahrzehnte ihrer Gefangenschaft waren zuerst langsam vergangen, damals, als sie noch fest entschlossen gewesen war, den Überblick über die vergehende Zeit zu behalten und jede Sekunde zu kämpfen, als könnte sie ihre letzte sein. Nach einer Weile hatte sie erkannt, dass ihr Entführer nicht ihren Tod
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