Gejagte Der Dämmerung -9-
wollte; für seine Zwecke brauchte er sie lebend, auch wenn diese Existenz kein Leben war. An diesem Punkt hatte sie aufgehört, zu kämpfen und die Tage zu zählen, und ihr Zeitgefühl war zu einer einzigen, nicht enden wollenden Nacht verschwommen.
Und jetzt war sie frei.
Schon morgen würde sie zu Hause bei ihrer Familie sein.
Ihr Leben würde neu beginnen, und sie würde ein neuer Mensch sein. Sie hatte überlebt, aber in ihrem tiefsten Inneren fragte sie sich, ob sie jemals wieder wirklich heil sein konnte. Man hatte ihr so viel genommen, einiges davon würde sie nicht wieder zurückbekommen.
Und anderes …
Sie würde später Zeit haben, alles zu betrauern, was sie an Dragos’ dämonischen Wahnsinn verloren hatte.
Mit geschlossenen Augen atmete sie wieder die kalte, reinigende Nachtluft ein. Beim Ausatmen hörte sie plötzlich Kindergelächter und fuhr vor Schreck zusammen.
Zuerst dachte sie, ihr Verstand hätte ihr einen grausamen Streich gespielt, wie er es während ihrer langen Gefangenschaft im Dunklen so oft getan hatte. Doch dann brachte der Wind wieder dieses entzückte kleine Kichern aus dem weitläufigen Garten zu ihr herauf.
Es war das Gelächter eines kleines Mädchens – es musste etwa acht oder neun sein, schätzte Corinne und sah zu, wie das Kind glücklich durch den wadenhohen Schnee tobte, eingemummelt wie ein rosa Schneemann in einem dicken Anorak und passenden Hosen.
Nur wenige Schritte hinter ihr rannten zwei fröhlich hechelnde Hunde, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Corinne konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als der dicke braune Terrier verzweifelt versuchte, den größeren, eleganteren Hund zu überholen. Der rauflustige kleine Köter kläffte bei jedem gemächlichen Schritt des wundervollen weißgrauen Wolfshundes, versuchte sich an ihm vorbeizudrängeln und schoss schließlich zwischen seinen langen Beinen hindurch, um als Erster bei dem kleinen Mädchen zu sein.
Es quiekte vergnügt, als der kleine Hund fröhlich bellend an ihr hochsprang, und nun hatte auch der zweite Hund sie eingeholt und begann, dem Kind schwanzwedelnd das Gesicht zu lecken.
»Ist ja gut, jetzt reicht’s!«, kicherte das Mädchen. »Luna, Harvard – okay, ihr habt gewonnen, ich gebe auf!«
Als die beiden Hunde von ihr abließen und stattdessen knurrend miteinander rauften, kamen zwei Frauen aus einem anderen Teil des Gartens über den verschneiten Rasen. Die eine von ihnen war unter ihrem übergroßen Daunenmantel definitiv hochschwanger, sie ging langsam und vorsichtig neben einer groß gewachsenen, athletisch gebauten Frau her, die in ihrer behandschuhten Hand die beiden Hundeleinen hielt.
»Benimm dich, Luna«, rief sie dem größeren der beiden Hunde zu. Er reagierte sofort, ließ seinen Spielgefährten im Stich, kam zu ihnen herüber und rannte sichtlich begeistert im Kreis um sein Frauchen herum.
»Das ist Alex«, sagte Gabrielle und kam zu Corinne auf die Terrasse hinaus. Sie trug einen dunklen Wollmantel und hielt Corinne einen weiteren hin, der einen schwachen Duft nach Zedernholz verströmte und sich so kuschelig wie eine warme Decke anfühlte, als Corinne hineingeschlüpft war. »Alex ist Kades Gefährtin«, fuhr Gabrielle fort. »Sie war mit ihm unterwegs, als du angekommen bist, deshalb hast du sie noch nicht kennengelernt.«
»Ich erinnere mich aber an sie«, antwortete Corinne, in Gedanken wieder beim Abend ihrer Rettung. »Sie und ein paar andere Frauen haben uns aus diesem Kellerverlies herausgeholt. Sie haben uns gefunden.«
Gabrielle nickte. »Genau. Alex und Jenna waren dort, zusammen mit Dylan und Renata. Und wenn Tess nicht jeden Augenblick Dantes Baby kriegen würde, wäre sie sicher auch dabei gewesen.«
Corinne sah wieder in den Garten hinaus, die beiden Frauen hatten sie entdeckt und hoben grüßend die Hände. Das kleine Mädchen hatte wieder einen Kicheranfall und ließ sich in eine Schneewehe plumpsen, die beiden Hunde sprangen begeistert hinterher.
»Diese süße kleine Göre da drüben ist Mira«, sagte Gabrielle und schüttelte lächelnd den Kopf über den Zirkus, den das Kind veranstaltete. »Renata hat sich um sie gekümmert, als die beiden noch in Montreal lebten. Als sich Nikolai und sie letzten Sommer verliebt haben, haben sie Mira ins Hauptquartier mitgebracht. Die drei sind jetzt eine Familie.« Lucans Gefährtin sah sich strahlend zu Corinne um. »Ich weiß nicht, wie’s dir geht, aber ich liebe Happy Ends.«
»Die Welt bräuchte
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