Gejagte Der Dämmerung -9-
redete nicht nur von den Bewohnern des Hauptquartiers, nicht einmal nur von den Kriegern und der ganzen Vampirbevölkerung zusammen. Der Krieg, von dem Hunter sprach, hatte viel größere Dimensionen. Dragos war eine Gefahr für die ganze Welt.
Wenn ein anderer so etwas gesagt hätte, hätte sie es vermutlich als dramatische Übertreibung verbucht. Aber das hier war Hunter, und Übertreibungen waren ihm fremd. Er war sachlich und knapp, wählte seine Worte so exakt, wie er seine Taten ausführte. Und dadurch wog seine Bemerkung so ungleich viel schwerer.
Corinne ließ sich zurücksinken, unfähig, seine durchdringenden goldenen Augen auszuhalten. Sie drehte den Kopf und sah aus dem getönten Fenster auf der Beifahrerseite, beobachtete, wie sich die Einstiegstür des kleinen Jets öffnete und die Gangway auf den Betonboden des Hangargebäudes hinabgelassen wurde.
»Schickst du mich nach Boston zurück?«
»Nein.« Hunter stellte den Motor des Wagens ab. »Ich schicke dich nirgendwo hin. Du sollst vorerst bei mir bleiben. Lucan hat mich mit deinem Schutz beauftragt.«
Sie sah von dem wartenden Flugzeug weg und wagte einen erneuten Blick auf ihren distanzierten Begleiter. Sie wollte argumentieren, dass sie keinen Beschützer brauchte, nicht jetzt, wo sie doch eben erst die Freiheit gewonnen hatte, so bitter diese erste Kostprobe auch gewesen war. Aber nun stellte sich ihr eine wichtigere Frage. »Wenn wir nicht nach Boston zurückgehen, wohin fliegt dann dieses Flugzeug?«
»New Orleans«, antwortete er. »Gideon konnte bestätigen, was Regina Bishop über Henry Vachon sagte. Ihm gehören mehrere Liegenschaften im Großraum New Orleans, und er soll dort auch wohnen. Momentan ist Vachon unsere beste Verbindung zu Dragos.«
Corinne schlug das Herz bis zum Hals. Henry Vachon die beste Verbindung des Ordens zu Dragos … was bedeutete, dass er auch ihre beste Verbindung zu Dragos war. Vielleicht die einzige, die sie hatte, um herauszufinden, was mit ihrem Sohn geschehen war.
So sehr sie die Vorstellung auch ablehnte, an Hunter oder sonst jemanden gebunden zu sein, sagte ihr ihr Verstand, dass ihr wenig anderes übrig blieb, denn mittellos und auf sich allein gestellt konnte sie nichts erreichen. Wenn sie Henry Vachon und damit ihrem Kind näher kam, indem sie sich mit Hunter zusammentat, dann musste es eben sein. Für ihr Kind würde sie alles tun.
»Was wirst du machen, wenn du Vachon findest?«, fragte sie.
»Meine Mission ist einfach: Seine Verbindung zu Dragos feststellen und alles an nützlichen Informationen aus ihm herausholen, was ich kann. Dann die Zielperson neutralisieren, um potenzielle negative Auswirkungen zu verhindern.«
»Du meinst, du hast vor, ihn umzubringen«, sagte Corinne, das war keine Frage, sondern eine grimmige Feststellung.
Hunters Augen blickten unerschütterlich. »Wenn ich feststelle, dass Vachon tatsächlich mit Dragos verbündet ist oder war, muss er eliminiert werden.«
Sie nickte schwach, war aber unsicher, was sie denken sollte. Sie konnte kein Mitleid für Henry Vachon empfinden, wenn er irgendetwas mit ihrer Entführung und Gefangenschaft zu tun hatte, aber ein anderer Teil von ihr fragte sich, wie Hunters brutaler Beruf und das viele Töten sich wohl auf ihn auswirken würden.
»Macht dir nie zu schaffen, was du tun musst?« Die Frage war ihr entschlüpft, bevor sie entscheiden konnte, ob sie ihr zustand oder nicht. Bevor sie Zeit gehabt hatte zu überlegen, ob sie die Antwort überhaupt wissen wollte. »Bedeutet dir ein Leben wirklich so wenig?«
Hunter verzog keine Miene. Sein gut aussehendes Gesicht mit den hohen Wangenknochen und dem eckigen Kinn war starr, so unerbittlich wie scharfkantiger Stahl. Nur sein Mund schien weich, seine vollen Lippen, die weder grimmig waren noch lächelten, entnervend neutral.
Aber es waren seine Augen, die sie am meisten faszinierten. Unter seinem kurz geschorenen hellbraunen Haarschopf waren seine Augen durchdringend, prüfend. Aber so scharf, wie er sie jetzt ansah, schien er umso entschlossener, nichts von sich preiszugeben.
»Ich bin ein Killer«, antwortete er ihr, ohne Entschuldigung oder Rechtfertigung. »Dazu bin ich geboren, man hat mich hervorragend ausgebildet, und ich bin gut in meinem Job.«
»Und dir kommen nie Zweifel?« Sie konnte einfach nicht anders, sie musste weiterbohren, musste es wissen. Wollte diesen furchterregenden Stammesvampir verstehen, der so einzelgängerisch und allein wirkte. »Du hast nie
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