Gejagte Der Dämmerung -9-
Straße zu sein, wieder mitten unter den Lebenden. Ein vorsichtigerer Teil von ihr wusste, wenn sie ihren Plan, Henry Vachon auf eigene Faust zu kontaktieren, heute Nacht in die Tat umsetzen wollte, sollte sie besser etwas in den Magen bekommen und sich rüsten für die verzweifelte Mission, die vor ihr lag.
14
Sie landeten in einem kleinen Restaurant einige Straßen entfernt vom Hotel, abseits vom Touristenverkehr.
Hunter fand nicht, dass es viel hermachte, es war ein dunkles Kellerlokal mit nur etwa zwanzig Tischen und einer kleinen, grob gezimmerten Bühne mit winziger Tanzfläche. Das Trio auf der Bühne spielte ein langsames, sinnliches Stück, die Sängerin pausierte und nickte dem Pianisten und dem anderen, der gerade eine extrem traurige Sequenz auf seiner kurzen Messingtrompete spielte, anerkennend zu.
In der Luft mischten sich die Gerüche von fettigem Essen und exotischen Gewürzen, dem Rauch vom Grill, von Parfüm und von sehr viel mehr menschlichen Körpern, als ihm lieb war. Aber Corinne schien sich hier ausgesprochen wohlzufühlen. Sobald sie auf der Straße die Musik, die aus dem Lokal drang, gehört hatte, war sie schnurstracks auf den Laden zugegangen und hatte darauf bestanden, dort zu essen.
Hunter war es einerlei, wohin sie gingen. Da es ja ihr Körper war, der Nahrung brauchte, sollte ruhig sie entscheiden.
Was seine eigenen Bedürfnisse anging, war es einige Tage her, dass er zum letzten Mal Nahrung zu sich genommen hatte. Er war schon länger ohne ausgekommen, aber es war unklug, seinen Gen-Eins-Stoffwechsel unnötig zu belasten. Er spürte den Durst in seinen Adern aufflammen, als er mit Corinne an einem Tisch in der Ecke saß, den Rücken zur Wand, und den Blick über die Menschenmenge schweifen ließ, die das alte Kellerlokal bevölkerte.
Er war nicht der einzige Stammesvampir, der eben das Angebot an Homo sapiens in Augenschein nahm. Er hatte die beiden Vampire schon entdeckt, als er und Corinne hereingekommen waren. Sie stellten keine Bedrohung dar, es waren nur Zivilisten aus den Dunklen Häfen, die müßig potenzielle Blutwirte begutachteten, genau wie er auch. Sobald sie bemerkten, dass er sie vom anderen Ende des Raumes aus beobachtete, verzogen sie sich in eine dunkle Ecke wie ein paar kleine Fische vor dem Hai.
Als die jungen Männer verschwunden waren, sah er über den kleinen Tisch zu Corinne hinüber.
»Ist dein Essen in Ordnung?«, fragte er.
»Es ist einfach Wahnsinn.« Sie stellte ihr Glas hin, das ein klares alkoholisches Mischgetränk auf Eiswürfeln enthielt, garniert mit einem dicken Limettenschnitz. »Alles hier ist, oder vielmehr war, einfach köstlich.«
Er hätte sich die Frage eigentlich sparen können, so schnell und so begeistert, wie sie über ihren Fisch in Mandelkruste mit gedünstetem Gemüse hergefallen war. Und davor hatte sie schon eine Schale Suppe und zwei der knusprigen Brötchen aus dem Korb auf dem Tisch verdrückt.
Doch obwohl sie das Essen sichtlich genossen hatte, schien sie stiller und nachdenklicher zu werden, je länger sie dort saßen. Er sah zu, wie sie mit der Fingerspitze über den Rand ihres Cocktailglases fuhr, und als sich über dem kerzenerleuchteten Tisch ihre Blicke trafen, fand er sich in ihren exotischen dunklen Augen gefangen. Im Schein der Kerzenflamme spielte ihre Farbe von ihrem normalen Blaugrün zu dunklem Waldgrün. In Corinne Bishops Augen lag innere Qual, ihre schlimmsten Geheimnisse waren tief hinter einem undurchdringlichen Dickicht von changierendem Grün verborgen.
Er dachte nicht, dass sie ihm erzählen würde, was ihr gerade durch den Kopf ging. Und obwohl er merkte, dass er wirklich neugierig wurde, hielt er es nicht für angemessen, sie zu fragen. Stattdessen saß er schweigend da, während sie die Augen schloss und sich im Rhythmus der Musik wiegte, die von der Bühne herüberdrang. Über dem Stimmenlärm und dem Tellergeklapper hörte er, wie Corinne das traurige Lied der Sängerin leise mitsummte.
Nach einem langen Augenblick öffnete sie die Augen und merkte, dass er sie angesehen hatte. »Das ist ein alter Bessie- Smith-Song«, sagte sie und sah ihn erwartungsvoll an, als müsste er den Namen kennen. »Einer ihrer besten.«
Er lauschte und versuchte zu verstehen, was Corinne so daran gefiel. Der Song klang gar nicht übel, sehr relaxt, aber der Text kam ihm banal vor, eigentlich war das völliger Nonsens. Er zuckte die Schultern. »Schon komisch, worüber Menschen alles Songs schreiben. Diese
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