Gejagte Der Dämmerung -9-
aus Dragos’ Albtraumkerker herausgekommen war und der es vielleicht nie wieder hinaus ans Tageslicht schaffen würde. Sie hatte so viel von sich selbst in diesen feuchtkalten Laborzellen zurückgelassen, dass sie nicht sicher war, ob sie jemals wieder wirklich heilen konnte.
Es war dieser Teil von ihr gewesen, der es nicht hatte ertragen können, in einem so kleinen Raum wie dem winzigen Bad des Hotelzimmers eingeschlossen zu sein. Sie hatte die Tür einen winzigen Spalt offen gelassen, nur so viel, um sich zu versichern, dass sie aus der kleinen Nasszelle hinaussehen und sie jederzeit verlassen konnte, wenn sie wollte. Dass sie nicht eingeschlossen und hilflos auf die nächste Runde Folter wartete, von dem, der den Schlüssel hatte.
Selbst jetzt noch schienen beim bloßen Gedanken an enge Räume und verschlossene Türen die vier Wände um sie zusammenzurücken. Ihr Puls beschleunigte sich, ihre Kehle schnürte sich zusammen unter der Panikattacke, die in ihr aufstieg. Corinne drehte sich zu der breiten Schiebetür um, die auf einen kleinen Balkon mit Blick über die Innenstadt hinausführte. Sie streckte die Hände aus und presste die Handflächen gegen das kühle Glas, konzentrierte sich auf ihre Atmung und versuchte, ihr Herz durch Willenskraft zu beruhigen.
Es half nicht.
»Was ist los?«, fragte Hunter und runzelte die Stirn, als sie ein paarmal hastig Atem holte. »Ist dir nicht gut?«
»Luft«, keuchte sie. »Ich brauche … Luft …«
Sie fummelte mühsam am Griff der Glastür herum, schaffte endlich, sie aufzureißen, und taumelte auf den Balkon hinaus. Hunter war an ihrer Seite, als sie sich an das schmiedeeiserne Balkongeländer klammerte und keuchend die reinigende Nachtluft einatmete. Sie spürte seine Präsenz wie eine Hitzewand neben sich, seine riesige Gestalt ragte nah neben ihr auf und beobachtete sie in stummer Besorgnis.
»Alles okay«, murmelte sie, doch ihr war immer noch schwindlig, ihre Lungen waren immer noch wie in einem Schraubstock gefangen. »Halb so wild … geht schon wieder.«
Er streckte die Hand aus, nahm sanft ihr Kinn und drehte ihr Gesicht in der Dunkelheit zu sich herüber. Sein Stirnrunzeln hatte sich vertieft, und diese durchdringenden goldenen Augen blickten sie prüfend an. »Es geht dir nicht gut.«
»Nein, alles in Ordnung. Ich hab nur etwas frische Luft gebraucht.« Sie zog sich etwas zurück, und er ließ seine Hand sinken. Die Wärme seiner Berührung verweilte. Sie konnte die Linien spüren, die seine breiten Finger auf ihrer Haut gezogen hatten, und stieß zitternd den Atem aus.
Er starrte sie an, sah sie in der schwülen Nacht von New Orleans zittern. »Es geht dir nicht gut«, sagte er wieder. Dieses Mal war seine Stimme sanfter, aber nicht weniger entschieden. »Dein Körper braucht mehr Ruhe, und du brauchst Nahrung.«
Sein Blick wanderte zu ihrem Mund. Dort verweilte er und versetzte sie in noch größeren inneren Aufruhr.
»Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen, Corinne?«
Gott, sie wusste es gar nicht mehr. Es musste schon über vierundzwanzig Stunden her sein, denn das letzte Mal hatte sie im Bostoner Hauptquartier vor ihrem Abflug nach Detroit etwas gegessen. Sie zuckte vage die Schultern. An das allgegenwärtige Hungergefühl hatte sie sich in der Zeit ihrer Gefangenschaft längst gewöhnt. Dragos hatte ihr und den anderen gerade genug zu essen gegeben, um sie am Leben zu erhalten. Manchmal, wenn ihre Rebellion ihr Isolationshaft eingebracht hatte, war es noch weniger gewesen.
»Ich bin okay«, sagte sie, und Hunters musternder Blick und seine Besorgnis wurden ihr unbehaglich. »Ich musste einfach nur ein Weilchen draußen sein. Ich brauche nur frische Luft.«
Er wirkte nicht allzu überzeugt und warf einen abschätzenden Blick über den Balkon hinunter auf die Straße. Die angenehme abendliche Brise brachte Geräusche mit. Leute schlenderten vorbei, unterhielten sich und lachten, daneben rumpelten Autos über das Kopfsteinpflaster. Der Musiker an der Ecke ging von einem gefühlvollen Stück zum nächsten über, und der appetitliche Duft nach gebratenem Fleisch und würzigen Soßen ließ Corinnes Magen verräterisch knurren.
Hunter sah sich wieder zu ihr um, den Kopf fragend zur Seite gelegt.
»Na gut«, sagte sie. »Ich schätze, ich könnte schon etwas zu essen vertragen.«
»Dann komm«, sagte er und stapfte schon wieder ins Zimmer zurück.
Corinne folgte ihm, ein Teil von ihr war einfach nur begierig, unten auf der belebten
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