Gejagte Der Dämmerung -9-
blieb und die Lichter der Stadt weit hinter sich ließ.
In einem dichten Waldstück ließ er sich in die Hocke sinken und lehnte seinen Rücken gegen den Stamm einer hohen Eiche. Kahle Zweige zitterten über seinem Kopf, der Mond kämpfte sich mühsam durch die dicke nächtliche Wolkendecke. Lange war das einzige Geräusch, das er hörte, sein eigener keuchender Atem und der Rhythmus seines dröhnenden Herzschlags.
Er saß da und fragte sich, wohin sein Durst ihn als Nächstes führen würde.
Eigentlich konnte es ihm verdammt egal sein.
Er bleckte seine Zähne und Fänge und saugte die Winterluft ein, zitternd von der Kälte und den schlimmen Bauchkrämpfen. Seine Därme waren vergiftet, überlastet von dem Blut, das er zu viel und zu oft zu sich genommen hatte, und doch konnte er an nichts anderes denken als die Frage, woher er seinen nächsten Schuss bekommen sollte. Er starrte in den mitternächtlichen Himmel auf, versuchte abzuschätzen, wie viel Zeit ihm noch zur Jagd blieb, bis ihn die Morgendämmerung wieder in ein Versteck trieb.
Klare Sache, dachte er und stieß ein belustigtes, halb wahnsinniges Kichern aus. Er brauchte der Bestie nur nachzugeben, die ihre spitzen Klauen in ihn geschlagen hatte.
Und doch war es die Bestie in ihm, die ihm zuflüsterte, als die Wälder um ihn gespenstisch still wurden. Er erstarrte, das Raubtier in ihm war hellwach und in Alarmbereitschaft.
Irgendwo in einiger Entfernung knackte in der Dunkelheit ein Ast. Und dann noch einer.
Chase horchte stumm und reglos. Wartete.
Aus dem dichten Unterholz kam jemand gelaufen.
Einen Augenblick später sah er ihn – es war ein kleiner Junge, der da durch die dunklen Wälder rannte, so schnell er nur konnte, und sich dabei immer wieder panisch umsah. Er trug einen Winteranorak, aber der Reißverschluss stand offen, und sein Hemd darunter war zerrissen und hatte dunkle Flecken.
Es war eine so abrupte, bizarre Erscheinung, dass sie völlig surreal wirkte. Zuerst dachte Chase, der Junge wäre nur eine Halluzination und sein von der Blutgier gebeutelter Verstand spielte ihm Streiche.
Bis ihm der scharfe Angstgeruch in die Nase stieg. Er roch Todesangst.
Und Blut.
Der Junge blutete aus einer kleinen Wunde am Hals – einer Bisswunde, wie Chase sofort bemerkte, und der Duft von frischen roten Zellen traf ihn wie ein Güterzug. Er rollte sich auf alle viere, als das Kind immer näher auf sein Versteck zurannte.
Und dann war der Junge plötzlich nicht mehr allein.
Aus der Dunkelheit einige Meter hinter ihm erschien eine Frau, und dann noch ein Kind, dieses schon älter, ein Teenager mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen. Einen Moment später brach in einiger Entfernung ein Mann aus dem Dickicht, gefolgt von einer anderen Frau, die humpelte und schluchzte. Auch sie war blutbespritzt und hatte eine Bisswunde am Unterarm.
Sie rannten alle in unterschiedliche Richtungen auseinander, flohen wie ein aufgescheuchtes Rudel Rehe.
Wie das Jagdwild, das sie waren, erkannte Chase, und nun erkannte er endlich, in was er da hineingestolpert war.
Blutclub.
Darum also war ihm dieser Ort so vertraut vorgekommen. Er war wirklich schon einmal hier gewesen. Vor über zehn Jahren hatte er mit Quentin und einem Stoßtrupp der Agentur Gerüchte über eine illegale nächtliche Treibjagd im Blue Hills Park am Stadtrand von Boston überprüft.
Er brauchte das tierhafte Heulen der Vampire, die diese todgeweihten Menschen hetzten, nicht zu hören, um zu wissen, dass er mitten in einem Spiel für die perversesten Angehörigen seiner Spezies stand. Von den Stammesgesetzen seit Jahrhunderten verboten, waren Clubs, die Jagdpartien auf menschliche Beute als Sportveranstaltungen organisierten – inklusive allem anderen, wonach einem Vampir der Sinn stand –, zwar verboten, konnten aber nicht völlig verhindert werden. Es gab immer Vampire, die den Gesetzen trotzten. Immer noch gab es in der besseren Gesellschaft diese geschlossenen Kreise mit handverlesenen Mitgliedern, die pervertierte Stammeselite, die solche Dienstleistungen in Anspruch nahm.
Chase suchte in sich nach der Verachtung, die er für etwas so Verwerfliches hätte empfinden sollen. Er spürte Empörung aufflackern, seine alte Agenturethik kribbelte vom Impuls einzugreifen, aber er war nicht stark genug, um seine Fänge in Schach zu halten, als der kupfrige Duft von frischem Blut durch das Dickicht drang. Hunger tobte in ihm, und sein Puls dröhnte heiß und wild durch seine Adern.
Als sich
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