Gejagte der Nacht
mit zarten Kurven ausgestatteten Körper hinzuweisen, »weibliche Gestalt zu erniedrigen?«
Die Röte aus Dolfs Gesicht wich einer grauen Färbung des Erschreckens. »Natürlich nicht.«
»Oder Stunden in dem Versteck des Werwolfkönigs zu verbringen, das ich unerlaubt betreten habe?«, fuhr Gaius fort. In seiner Stimme lag eine Verbitterung, die imstande gewesen wäre, einer geringeren Kreatur die Haut vom Leib zu reißen. »Dessen Kräfte übrigens inzwischen wieder vollständig wiederhergestellt sind, und der erfreut wäre, mich augenblicklich töten zu können, sobald er mich erblickt.«
Dolf hob in dem verzweifelten Versuch, den Schaden zu begrenzen, die Hände. »Ich habe doch erwähnt, dass Ingrids Quelle ihr mitgeteilt hat, der König und die Königin weilten für mindestens zwei weitere Tage in Chicago.«
Gaius war davon kein bisschen mehr beeindruckt, als er es gewesen war, als er diese Beteuerung zum ersten Mal vernommen hatte. Ihm blieb ja auch keine andere Wahl, wie er sich grimmig ins Gedächtnis rief. Als Ingrid mit dem Vorschlag an ihn herangetreten war, seine Fähigkeit des Gestaltwandelns zu nutzen, um der Prophetin eine Falle zu stellen, hatte er ihn entschieden abgelehnt.
Er hatte nicht die Absicht gehabt, sich lächerlich zu machen, indem er herumstolzierte und dabei aussah wie eine verdammte Frau, während er im Weinkeller des Werwolfkönigs auf der Lauer lag. Immerhin besaß er noch etwas Stolz. Aber natürlich hatte die Hexe augenblicklich Verbindung zum Fürsten der Finsternis aufgenommen, und Gaius hatte sich auf den Knien liegend wiedergefunden und zugestimmt, nach St. Louis zu reisen und sich als Harley auszugeben.
Er hatte jedoch nicht eingewilligt, dies mit Freuden zu tun.
»Ihre geheimnisvolle Quelle könnte sich irren«, gab er in einem beißenden Tonfall zu bedenken. »Oder sie hofft womöglich, uns so lange hierzubehalten, bis wir uns wie Lämmer zur Schlachtbank führen lassen.«
»Ingrid weiß, was sie tut.« Dolf warf seiner Schwester einen Blick zu, der viel zu vertraulich war. Grauenvoll. »Von ihr stammt immerhin der Plan, mit dem wir Caine dazu bringen, in diesen Weinkeller zu kommen, nicht wahr?«
»Das ist wahr.« Gaius richtete seine Aufmerksamkeit auf die weibliche Wolfstöle, die gegen die Weinregale gelehnt dastand, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt. »Seid Ihr Euch auch sicher, dass er in diesen Keller kommen wird, statt anzurufen, wie Ihr es verlangtet?«
Ingrid zuckte die Achseln. »Caine ist über alle Maßen misstrauisch, was es fast unmöglich macht, ihn aus dem Hinterhalt anzugreifen. Wir müssen ihn überzeugen, dass er der Falle aus weicht, während wir in die Richtung drängen, in die er sich wirklich bewegen soll.«
»Ihr geht davon aus, dass er sich das Video ansieht, das Ihr ihm gesendet habt, und dann Eure Forderungen, Euch anzurufen, ignoriert, trotz der Gefahr, die seiner Königin droht.« Gaius strich sich ungeduldig das lange blonde Haar aus dem Gesicht. Er würde zutiefst erleichtert sein, wenn diese dumme Scharade vorüber war und er wieder seine wahre Gestalt annehmen konnte. »Und dass er diesen Weinkeller wiedererkennt.«
Die Wolfstöle lächelte. »Vertraut mir.«
Gaius fauchte angewidert. »Niemals.«
KAPITEL 6
Salvatores Versteck in St. Louis
C aine ließ den Jeep mehrere Kilometer von Salvatores Versteck entfernt stehen, in einem nördlichen Vorort der Stadt. Dann führte er Kassandra am Ufer des großen Sees entlang, der von Backsteinvillen umgeben war, die wie edle Juwelen mitten in den makellosen Rasenflächen und den architektonischen Gartenanlagen lagen, und hielt hinter einem Bootshaus an.
Es war so spät, dass das Viertel in nachtschlafende Dunkelheit gehüllt war, aber sein Nachtsehvermögen ermöglichte es ihm mühelos, seine Umgebung nach etwaigen Gefahrenanzeichen abzusuchen.
Es waren aber keine zu finden.
Er tat den Inkubus, der im Augenblick die Fantasie einer vernachlässigten Hausfrau erfüllte, und das Harpyiennest, verborgen auf der kleinen Insel mitten auf dem See, als unwesentlich ab. Sie bedeuteten für einen Rassewolf keine Bedrohung.
Da er aber trotzdem noch lange nicht beruhigt war, studierte er genau das große, dreistöckige Haus, das auf einem Hügel stand, von dem aus man den See überblicken konnte. Die Aussicht auf die hinteren Wände, die beinahe vollständig aus Glas bestanden, wurde zum Teil von einer großen Veranda versperrt, die von Marmorsäulen eingerahmt wurde.
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