Gejagte der Nacht
herauszufinden.
Kassandra holte tief Luft, durchquerte die Hecke und folgte dem schmalen Pfad. Als sie nicht getötet, aufgespießt oder in einen Wassermolch verwandelt worden war, ging sie weiter und erklomm die Stufen der umlaufenden Veranda.
Sie hielt inne und sah sich ein letztes Mal in dem leeren Garten um, der von einer dichten Baumreihe umgeben war, bevor sie die schwere Eichentür öffnete und das Wohnzimmer betrat.
Es war ein schmuckloser Raum, ausgestattet mit Bauernmöbeln und hoch aufragenden Bücherregalen, die mit in Leder gebundenen Chemiebüchern vollgestopft waren. Ein wehmütiges Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Das Haus erinnerte sie auf schmerzhafte Weise an Caine.
Götter, selbst die Luft roch nach ihm.
Gerade war ihr dieser Gedanke gekommen, als auch schon die Tür hinter ihr zuschlug und sie herumwirbelte, um einen blondhaarigen Werwolf zu entdecken, der an der Wand lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt und ein spöttisches Lächeln auf den Lippen.
»Hallo, Schatz. Hast du mich vermisst?«
Ihr klappte wortwörtlich der Unterkiefer herunter.
Caine.
Aber … das war doch nicht möglich, oder?
Er konnte doch nicht hier sein, wenn sie ihn kilometerweit hinter sich gelassen hatte.
»Bist du eine Sinnestäuschung?«
»Nein, ich bin keine Sinnestäuschung.« Er stieß sich von der Wand ab und schritt auf ihre steife Gestalt zu, bekleidet mit einer lässigen Jeanshose und einem weißen T-Shirt. »Na, überrascht?«
Sie schüttelte den Kopf und bemühte sich zu begreifen, dass er wirklich da war und nicht bloß reine Einbildung.
»Und wie?«
Er wölbte eine Augenbraue. »Wie – was?«
Sie räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Wie bist du hierhergekommen?«
Unvermittelt packte Caine sie an den Oberarmen und wirbelte sie herum, sodass er sie gegen die Wand drücken konnte. Erst in diesem Moment erkannte sie, dass sich hinter seiner Selbstbeherrschung und seinem süffisanten Verhalten reine Wut verbarg.
»Das ist nicht die entscheidende Frage.«
Die Hitze seines Zorns versengte ihre Haut. Er achtete sorgsam darauf, sie nicht so fest zu halten, dass er sie verletzte, aber fest genug, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sie ihm nicht entkommen konnte.
»Caine …«
Die saphirfarbenen Augen glitzerten in dem immer dunkleren Dämmerlicht. »Die Frage ist, warum zum Teufel du ohne mich verschwunden bist.«
Seine Worte rissen Kassandra aus dem fassungslosen Schockzustand, der ihren Verstand vernebelte. Er hatte recht. Es spielte keine Rolle, wie er sie gefunden hatte. Oder auch nur, wie er hatte wissen können, wohin sie unterwegs war, um vor ihr hier zu sein.
Das Einzige, was von Bedeutung war, war die Tatsache, dass sie Caine loswerden musste, bevor es zu spät war.
Sie drehte ihren Kopf, um den Sekretär vor dem Fenster anzustarren, in der verzweifelten Hoffnung, ihr allzu ausdrucksstarkes Gesicht vor ihm zu verbergen. »Ich glaube, das erklärt sich wohl von selbst.«
»Das glaubst du?«
»Ja.«
Er schnaubte, ergriff mit den Händen ihr Kinn und drehte ihr Gesicht so, dass sie ihm in die zusammengekniffenen Augen sehen musste. »Offenbar bin ich besonders dämlich, weil ich absolut nicht finde, dass es sich von selbst erklärt, wenn meine Geliebte mich an einer Raststätte aussetzt.«
Sie leckte sich über die Lippen und geriet unter seinem durchdringenden Blick ins Wanken. Wer hätte gedacht, dass Lügen eine so lebensnotwendige Fähigkeit war? Oder dass ihre Unfähigkeit zu lügen durchaus dazu führen konnte, dass Caine in der Hölle schmorte.
Verdammt, sie musste es tun. Und sie musste gut genug sein, um dafür zu sorgen, dass Caine sie verließ und nie wieder zurückkehrte. Mühevoll zwang sie sich zu einem Gesichtsausdruck, von dem sie hoffte, dass er einem Lächeln nahe kam. »Ich kam zu dem Entschluss, dass ich genug hatte.«
»Genug wovon?«
»Genug von uns.«
»Nein.«
»Wie bitte?«
»Versuch es noch mal.«
Sie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Ich verstehe nicht.«
»Eine Frau schenkt einem Mann nicht ihre Unschuld, wenn sie ›genug hat‹«, stellte er ihre Behauptung infrage.
»Ich weiß nicht, weshalb du so eine große Sache aus meiner Jungfräulichkeit machst«, murmelte sie.
Caines kochende Wut verschwand abrupt. An ihre Stelle trat eine herzzerreißende Zärtlichkeit.
»Weil es für mich eine große Sache war.« Sein Daumen zeichnete die Umrisse ihrer Unterlippe nach, und prompt verdunkelte Leidenschaft seine Augen. »Das
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