Gejagte der Nacht
sie auf. »Andere Vampire in ihren Bann ziehen.«
Gaius hätte darauf niemals geantwortet, wenn Kostas noch der Anführer der Jägerinnen und Jäger gewesen wäre. Ganz egal, was Styx ihm vorgeworfen hatte – dass er in der Schuld von Nefri und ihrem Clan stand, da er bei ihnen aufgenommen worden war, ließ ihn durchaus nicht ungerührt.
Aber Kostas war seines Amtes im Addonexus enthoben worden. Abgesehen davon war es höchst unwahrscheinlich, dass der dreiste Dummkopf seinen gegenwärtigen Dienst bei dem Fürsten der Finsternis überlebte. Weshalb sollte er ihm seine Fragen nicht beantworten?
»Gestaltwandeln ist ein Talent, über das nur sehr wenige Vampire verfügen«, räumte er ein. »Obgleich es unmöglich ist, diese Fertigkeit vollständig zu entwickeln, ohne durch den Schleier zu reisen.«
»Und die anderen?«, drängte Kostas.
»Nefri, die Clanchefin, verfügt ebenfalls über ein Medaillon wie das meine, welches es ihr gestattet, durch den Nebel zu wandern und auch den Schleier zu öffnen, sodass Vampire hin und her reisen können. Und zum Thema ›andere Vampire in den Bann ziehen‹ …« Gaius zuckte mit den Achseln. »Da gibt es einige, die imstande sind, die Kontrolle über den Geist geringerer Wesen zu übernehmen.«
Die dunklen Augen verengten sich. »Gehört Ihr dazu?«
»Wenn das der Fall wäre, führten wir jetzt nicht diese lächerliche Unterhaltung.«
Kostas trat steifbeinig auf das schmale Bett zu, in dem das Baby lag und nach wie vor schrie. Seine winzige Gestalt war in eine Decke gehüllt, sein Gesicht war verzogen und rot vor Missbehagen. »Das gefällt mir nicht«, knurrte Kostas und hob den Säugling auf.
»Es muss Euch nicht gefallen, Ihr müsst lediglich gehorchen.«
Mit einem drohenden Blick legte Kostas Gaius das schreiende Baby in den Arm. Erstaunlicherweise hörte das Kind abrupt auf zu weinen und blickte Gaius mit einem Paar großer blauer Augen an, in denen eine Unschuld zu erkennen war, die ihn mitten in sein totes Herz traf.
»Wenn Ihr mich betrügt, werdet Ihr Euch nirgendwo verstecken können, ohne dass ich Euch aufspüren werde«, sagte Kostas warnend.
Gaius riss seinen Blick von der süßen Unschuld los, die in seinen Armen lag, und funkelte stattdessen zornig seinen Begleiter an, während er das Medallion umfasste.
»Zurücktreten, Hanswurst.«
Das Gefängnis des Fürsten der Finsternis
Kassandra war in einer erstickenden Finsternis gefangen. Es gab keinerlei Geräusche, und sie konnte auch nichts ertasten. Nur eine ungeheure Leere, die selbst dem Verstreichen der Zeit trotzte.
Es war beinahe eine Erleichterung, als sie von ferne einen heftigen Schlag auf ihrer Wange spürte.
»Aufwachen, aufwachen!«, sprach ihr eine Frau ins Ohr.
Kassie bemühte sich, den zähen Nebel zu durchwaten, und zuckte zusammen, als die Schläge allmählich schmerzhafter wurden.
»Caine«, flüsterte sie und öffnete langsam die Augen, um ein hübsches junges Gesicht zu erkennen, das direkt über ihr schwebte. »Ihr.«
Ein Grübchenpaar blitzte auf. »Ja, ich.«
Kassie fauchte angstvoll und wich hastig vor der bösen Gottheit zurück.
Und wie böse dieses Miststück doch war!
Nur ein wahrhaft bösartiges Herz hätte eine solche Freude dabei empfunden, den hilflosen Caine zu foltern, während Kassandra auf ihren Knien um Gnade flehte.
Sie hatte immer wieder versucht, die Visionen zu beschwören, nach denen der Fürst der Finsternis verlangte, aber sie war keine Attraktion in einer Jahrmarktshow. Sie konnte die Visionen nicht zwingen aufzutauchen.
Schließlich war sie in das schwarze Loch der Bewusstlosigkeit gesogen worden, und ihr Verstand war gezwungen gewesen, jeden quälenden Moment von Caines Folter noch einmal zu erleben. Das hatte scheinbar eine Ewigkeit angedauert.
Jetzt konnte sie sich nur zu gut vorstellen, welche neue Hölle auf sie wartete.
»Wo ist Caine?«, brachte sie hervor. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Krächzen.
Die andere Frau richtete sich auf und strich mit ihren Händen das hübsche weiße Sommerkleid glatt, das sie auf irgendeine Weise erzeugt hatte, um ihren Körper, der zuvor nackt gewesen war, zu bedecken. »Keine Sorge. Dein treuer Hund befindet sich ganz in der Nähe.«
Der Fürst der Finsternis winkte mit der Hand, und der wabernde Nebel teilte sich und enthüllte den regungslos daliegenden Caine, der noch immer in der Gestalt zwischen Wolf und Mensch gefangen war.
Kassandra erhob sich vorsichtig und presste die Hände auf ihr
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