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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Fortschritte sein Buch mache.
    »Das liegt momentan auf Eis«, antwortet Fee-Jigan.
    »Woran arbeitest du dann?«
    »Ich beschäftige mich gerade mit näherliegenden Themen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich habe ein paar Artikel verfaßt, die für die internationalen Medien von großem Interesse sind«, sagt Fee-Jigan. »Derzeit gibt es kein wichtigeres Thema als die Journalisten, die ins Visier genommen werden und einem Attentat zum Opfer fallen, jeden zweiten Tag stirbt einer.«
    »Wer steckt deiner Meinung nach dahinter?«
    Fee-Jigan starrt Qasiir an, scheint sich seinetwegen Sorgen zu machen. Malik sagt nichts, bedeutet aber mit einem Nicken in Richtung Qasiir, daß dieser vertrauenswürdig ist.
    »Die Fünfte Kolonne, die sich aus ehemaligen Armeeoffizieren zusammensetzt, von denen viele der Union verbunden sind, haben diese Morde zu verantworten«, sagt Fee-Jigan.
    »Aber warum sollten sie Shire umbringen, der, soweit ich verstanden habe, offenbar einen der Union wohlgesinnten Aufständischen interviewen wollte?«
    »Sie töten, um Verwirrung zu stiften.«
    Dieser Logik kann Malik nicht folgen. »Was meinst du mit ›Verwirrung stiften‹? Aus welchem Grund?«
    »Shire hatte ein Faible für die Wahrheit«, sagt Fee-Jigan, »und er wagte es, furchtlos sein Meinung zu sagen. Manchmal verärgerten seine knallharten Kommentare die Al-Schabaab und ihre Verbündeten. Die Fünfte Kolonne macht für jeden die Drecksarbeit, solange es Verwirrung stiftet.«
    Malik weiß zu schätzen, daß Qasiir unter den chaotischen Umständen alles tut, damit sie nicht zurückbleiben, mal bremst er, mal beschleunigt er, mal spricht er mit einigen der Fahrer, mit denen er Handynummern ausgetauscht hat, ehe sich die Kolonne in Bewegung setzte. Falls ein Problem auftaucht, werden sie in Verbindung bleiben. Als sie die Moschee erreichen und feststellen, daß die Trauerfeier bereits vorbei ist, herrscht Uneinigkeit über das weitere Vorgehen, manche schlagen vor, man solle zum Haus von Shires Familie fahren, von dort aus werde die Bahre zum anderthalb Kilometer entfernten Friedhof getragen; manche bestehen darauf, daß man direkt zum Grab fahren und dort warten solle. Malik pflichtet Fee-Jigan bei. Am besten suchen sie die Familie auf und helfen beim Tragen der Bahre – eine rühmliche Aufgabe.
    Sie kommen gerade noch rechtzeitig, die Bahre wird soeben aus dem Haus getragen. Die Straßen füllen sich mit Trauergästen, Passanten bleiben stehen, rufen »Allahu akbar«, und alles hallt wider von Bittgebeten an den Allmächtigen. Jeder hier macht einen verlorenen Eindruck, alle betrauern mit sorgenvoll gesenktem Kopf den frühzeitigen Tod eines Mannes, der niemandem etwas zuleide tat und von vielen geliebt wurde.
    Die Prozession bewegt sich rasch, und ein paar der Journalisten, die zur selben Zeit wie Malik eingetroffen sind, beeilen sich, um beim Tragen der Bahre zu helfen, und sei es auch nur kurz. Im Islam wird schnell bestattet, in der Hoffnung, daß der Tote mit Allahs Segen in einem zufriedeneren Zustand zur ewigen Ruhestätte gelangt.
    Zum ersten Mal in seinem Leben trägt Malik die Bahre eines Menschen, den er nicht einmal gekannt hat. Er hat das Bedürfnis, Teil des Rituals zu sein, überläßt seinen Platz dann Fee-Jigan, der wiederum an Qasiir übergibt. Dann erreichen sie die Grabstätte.
    Genau in diesem Moment brummt Maliks auf Vibrationsalarm gestelltes Handy in seiner Hemdtasche. Sobald es möglich ist, tritt er beiseite und versucht einigermaßen unauffällig, die SMS zu lesen. »Taxliil da. Soweit alles o.k. Melde dich, sobald möglich«, lautet Ahls Botschaft.
    Malik erinnert sich daran, eine SMS an Ahl geschrieben zu haben, aber nicht, ob er sie abgeschickt hat, ehe die unkonventionelle Sprengvorrichtung den Kleinbus traf, in dem er saß. Er war gemeinsam mit mehreren Leuten auf dem Rückweg von der Beerdigung eines Journalisten gewesen. Jetzt verfaßt er halb bewußtlos auf der Seite liegend im Kopf eine weitere SMS : Apropos schwankende Verletzte! Aber er kann nicht auf »Senden« drücken. Um eine SMS zu schreiben, benötigt man Hände, und Malik kann seine Hände nicht spüren. Aber das hält ihn nicht davon ab, noch ein PS anzuhängen: Stell dir Verletzte vor, die trotz großer Schmerzen arbeiten, Verwundete, die höchst schwungvoll Todesurteile unterschreiben.
    Seltsam, geht ihm durch den Kopf, daß ich bisher noch nie persönlich mit einer derartigen Sprengvorrichtung Bekanntschaft gemacht habe.
    Bevor die Äthiopier

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