Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
Vom Netzwerk:
würden damit ihre Söhne nach Amerika schicken«, sagt er. »Keine Ahnung, ob das wahr ist. Keine Ahnung.«
    Nicht zum ersten Mal bekommt Ahl eine Ahnung, mit welchen enormen Schwierigkeiten die Somalier zukünftig in Amerika konfrontiert werden.
    »Wie bist du eigentlich in diesem Wüstenlager gelandet, in dem Saifullah sich angeboten hat, zum Märtyrer zu werden?« will Ahl wissen.
    »Nachdem ich in Schwierigkeiten geraten war.«
    »Und zwar?«
    »Geschichte hat mich seiner Tochter Englischunterricht geben lassen – aber nur mündlich, weil ich ja ohne Brille nicht lesen konnte. Dann ist sie schwanger geworden.«
    »Willst du damit sagen, daß du sie geschwängert hast?«
    »Natürlich nicht, Dad.«
    »Und wie ging es weiter?«
    »Und dann hat Geschichte dafür gesorgt, daß ich sie heirate.«
    Ahl schäumt. »Hat Geschichte dich gezwungen, seine Tochter zu heiraten, obwohl du sie nicht geschwängert hast?«
    »Ganz genau, Dad.«
    Warte nur, bis Yusur diesen Teil der Geschichte hört, geht es Ahl durch den Kopf. »Und dann?«
    »Dann hat er mich zu einer Kampfeinheit versetzen lassen.«
    »Glaubst du, er wollte dich aus dem Weg räumen?
    Wortlos starrt Taxliil Ahl an.
    »Welches Motiv hätte er sonst haben können?«
    »Zumindest einer meiner Freunde hat gedacht, Geschichte will, daß ich sterbe.«
    »Was hast du gedacht?«
    »Ich konnte vor Angst nicht denken.«
    Sie schweigen. »Ich bin zu müde, um heute noch mehr Fragen zu beantworten, Dad«, sagt Taxliil schließlich.
    »Nur noch ein paar, und dann haben wir es hinter uns.«
    Ganz in der Nähe ruft ein Muezzin die Gläubigen zum Gebet. Taxliil wirkt aufgeregt, als diskutierte er mit sich, ob er aufstehen und dem Ruf folgen oder sitzen bleiben und die restlichen Fragen beantworten soll.
    »Erinnerst du dich an den Namen des Reisebüros, das deine Flüge buchte?« fragt Ahl.
    »Ich habe keine Ahnung, wie das Reisebüro heißt oder wer die Tickets bezahlt hat«, erwidert Taxliil.
    »Hast du die Tickets selbst abgeholt?«
    »Wir haben sie an den verschiedenen Flughäfen abgeholt«, sagt Taxliil. »Es waren immer E-Tickets, vom jeweiligen Abflughafen in den Staaten die ganze Strecke bis zum Zielort. Wir haben uns erst in Lamu getroffen und sind von da gemeinsam in einem Boot weitergereist.«
    Ahl ist drauf und dran, mit seiner Befragung fortzufahren, da bemerkt er, daß sich Taxliil wieder in seine eigene Welt zurückgezogen hat.
    Sie machen eine Pause, und Ahl versucht Malik zu erreichen, damit er ihm die neuesten Entwicklungen mitteilen kann. Aber er erreicht nur Maliks Mailbox und macht sich nicht die Mühe, eine Nachricht zu hinterlassen.
    »Wann fahren wir heim nach Minneapolis?«
    »Das ist noch nicht klar«, entgegnet Ahl, »du wirst es abwarten müssen.« Ahl ist sich sicher, daß Taxliils Name beim FBI aktenkundig ist. Die amerikanische Botschaft wird Taxliil eingehend befragen wollen, vielleicht sogar jemanden dafür nach Dschibuti schicken. Ahl ist sich nicht sicher, ob Taxliil als erster der etwa zwanzig Somalier zurückkehren wird. Nach eingehender Befragung bringt man ihn wahrscheinlich in Handschellen mit einem Militärflugzeug nach Stuttgart. Vorläufig erspart er ihm diese Details. Es ist eine Sache, ihn auf das Kommende vorzubereiten, ihm unnötig Angst einzujagen eine andere.
    »Glaubst du, sie werden mich als Sicherheitsrisiko betrachten?«
    »Warum fragst du?«
    »Weil Saifullah nämlich gesagt hat, er würde lieber würdevoll sterben, als von den Amerikanern verhaftet, in Handschellen abgeführt und für den Rest seines Lebens mißtrauisch beäugt zu werden.«
    »Es besteht die Möglichkeit, daß du als Sicherheitsrisiko eingestuft wirst«, sagt Ahl. »Aber vielleicht werden sie dich mit Nachsicht behandeln, weil du noch nicht volljährig bist.«
    »Versuchst du, mir Angst einzujagen, Dad?« fragt Taxliil.
    »Nein, mein Sohn«, sagt Ahl.
    »Allmählich tut’s mir leid, daß ich nicht dabeigeblieben bin.«
    »Ich bin froh, daß du nicht dabeigeblieben bist«, sagt Ahl.
    Keine Verzweiflung ist so abgründig wie die eines Teenagers, dessen Unschuld ihn dazu verleitet hat, dem Falschen zu vertrauen.
    Xalan kommt mit den Flugtickets und dem Paß eines Burschen in Taxliils Alter nach Hause. Obwohl er bereits vor Monaten ausgestellt wurde, ist er bisher nicht abgeholt worden. Ihr Freund bei der Paßstelle nimmt das Risiko auf sich und sollte der Diebstahl entdeckt werden, wird er abstreiten, irgend etwas damit zu tun zu haben. Ohnehin kommt

Weitere Kostenlose Bücher