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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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nicht darauf aufmerksam machen genausowenig wie auf die angetrocknete Zahnpasta am Kinn oder den offenen Hosenladen. Das würde seinen Freund nur in Verlegenheit bringen, zudem ist ohnehin sonst niemand anwesend. Und schließlich sind sie einander nicht fremd.
    Ohne Hast begeben sie sich in die Küche. Bile sitzt da, während Jeebleh ihm ein leichtes Mahl zubereitet, denn bevor er seine Tabletten nimmt, muß er etwas essen. Jeebleh macht Nudeln in Zitronen-Knoblauch-Sauce, hackt eine Chilischote klein, und währenddessen knabbert Bile an Käse und anderen Köstlichkeiten, die ihm vorgesetzt werden. Ungefragt erzählt er von der Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im bürgerkriegsgebeutelten Mogadischu, hebt hervor, daß ihr Hausmädchen leicht reizbar ist. In diesen schweren Zeiten ist Harmonie zwischen Arbeitgeber und Angestellten ein kostbares Gut, da jeder befürchtet, die andere Partei könnte beim geringsten Streit zur Waffe greifen, die dann das letzte Wort hat.
    »Glaubst du, sie wird zur Waffe greifen, wenn du ihr die Leviten liest?«
    »Wenn man mit ihr eine Auseinandersetzung über die ihr geschuldeten Überstunden hätte oder, Gott verhüte, sie feuern würde, würden ein paar Jugendliche mit Gewehren auftauchen, die dich schneller umlegen, als du eine Zigarette ausdrücken kannst«, erwidert Bile.
    Es ist nichts Ungewöhnliches, daß bewaffnete Jugendliche Ärzte, die für eine der UN -Organisationen oder Ärzte ohne Grenzen arbeiten, wegen eines läppischen Geldbetrags erschießen.
    »Haben die Extremisten dem nicht ein Ende gemacht?«
    »Alle, die Extremisten eingeschlossen, haben eine abwartende Haltung eingenommen«, sagt Bile, »und niemand hat etwas wegen der Gewehre unternommen. Die Besitzer vergraben sie und warten darauf, Schwachstellen in der Organisation der Extremisten zu entdecken, um sie dann auszunutzen.
    Die derzeitige Situation unterscheidet sich nicht von der im Jahr 1993, als zum ersten Mal Marines eingesetzt wurden. Listig warteten die Warlords und ihre Verbündeten ab, bis die Amerikaner durch ihre Unentschiedenheit und Inkompetenz Schwachstellen zeigten. Jeder waffenschwingende Jugendliche wollte wissen, ob die Marines Frieden stiften oder ihn mit Waffengewalt erzwingen wollten. StrongmanSouth nutzte die Schwächen des amerikanischen Plans aus, und wendete durch einen schmutzigen Trick das Blatt zu seinen Gunsten, als er einen amerikanischen Leichnam durch die Straßen schleifen ließ. Du kannst dir sicher sein, daß den Äthiopiern das gleiche passieren wird, wenn sie einmarschieren und einer von ihnen verwundet oder getötet wird. Auch sie werden über Rückzug nachdenken, genau wie die Marines damals, du wirst schon sehen.«
    Jeebleh fragt sich, ob Bile wohl die Gelegenheit hatte, Black Hawk Down zu sehen, einen Film, der nach seinem letzten Besuch in Mogadischu herauskam und von dem politischen Schachzug der Amerikaner handelt, nach Ende des Kalten Krieges eine interventionistische Politik zu betreiben, damit »die Welt sicherer wird«.
    Bile gibt würgende Geräusche von sich, wie eine Katze, der beim hastigen Hinunterschlingen eine Gräte im Hals steckengeblieben ist, nimmt einen Schluck Wasser aus seinem Glas, entspannt sich, bereit, den Faden wieder aufzunehmen.
    »Hätte ich eine Waffe, dann wäre ich bei Sätzen wie sie der damalige amerikanische Präsident von sich gab – ›die Marines sind hier, um dem Willen Gottes zu dienen‹ –, jedesmal versucht, sie herauszuholen. Oder wenn die Extremisten sagen, sie besäßen den ›Rückhalt der Bevölkerung‹ oder würden gemäß dem ›Willen des Volkes‹ handeln. Oder wenn sie eine vergewaltigte Frau des Ehebruchs beschuldigen und zum Tod durch Steinigung verurteilen. Ich bin auch verärgert, wenn jemand unterwürfig den Unsinn nachplappert, alle Somalier seien Muslime, vor allem wenn damit eine Gruppe von Extremisten legitimiert werden soll, die unserem Land ihren Willen aufzwingen will. Seien wir doch ehrlich, die Extremisten unterscheiden sich überhaupt nicht von den Warlords, die sie vertrieben haben, oder den Typen der Übergangsregierung. Keiner kann mir einreden, daß die breite Masse der Somalier auf die Lügen der Extremisten hereinfällt. Egal was passiert, früher oder später werden die Extremisten in einen radikalen und einen gemäßigten Flügel zerfallen, egal ob Äthiopien einmarschiert oder nicht. Auch wenn es mich juckt, den Tyrannen nebenan, unseren Erbfeind, herauszufordern.«
    Bile

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