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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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wuseln um den Tisch herum, das Essen steht bereits da, die Gläser sind mit bunten Getränken gefüllt, die großen Messer scharf wie die eines Metzgers. Ma-Gabadeh stößt ein »Bismillah« hervor, setzt sich ohne weitere Formalitäten und häuft sich Reis und Hammel auf den Teller, nimmt ein Messer und schneidet das Fleisch in Scheiben. Für Ma-Gabadeh ist Zeit Geld, und es ist offensichtlich, daß er sie nicht mit Essen vergeuden will. Fee-Jigan hält mit und ißt ebenso hastig.
    Malik, der ein langsamer Esser ist, kann nicht mithalten und macht sich Sorgen, sie zu langweilen.
    Ma-Gabadeh zieht Malik auf. »Mir wurde gesagt, daß man es in Amerika mit allem eilig hat, man ißt im Stehen und im Gehen, in Bussen, Zügen und Büros.«
    Verlegen hört Malik zu essen auf. Unverzüglich wird der Tisch abgeräumt.
    Die Anwesenheit der beiden Zeugen gibt Ma-Gabadeh Auftrieb, er wird seinem Spitznamen gerecht und stimmt furchtlos zu, daß das Gespräch aufgenommen wird, unter der Bedingung, daß er nach der Veröffentlichung des Interviews ein paar Exemplare der Zeitung bekommt. Er erklärt Malik, daß er Fee-Jigan dazugebeten habe, damit dieser einige der Fragen beantworten könne, denn er habe zu dem Thema recherchiert. »Außerdem sind zwei Köpfe besser als einer.«
    »Worauf führen Sie Ihren Erfolg zurück?« fragt Malik.
    »Ich bin der Erfolg.«
    Auf diese Art der Unterhaltung ist Malik schlecht vorbereitet. Nicht nur ist er anderer Meinung, sondern es klingt in seinen Ohren entsetzlich großspurig und läßt auf keinen guten Gesprächsausgang schließen.
    »Würden Sie das bitte erklären«, sagt er.
    »Ich wurde in einem kleinen Dorf geboren«, sagt Ma-Gabadeh, »meine Eltern waren arm und hatten kein Geld. Ich konnte keine Ausbildung machen, aber zum Glück wußte ich schon damals, daß ich es zu was Größerem bringen wollte. Ich fing als Bürobote an und wurde innerhalb eines Jahres zum Bereichsleiter im Fischereiministerium befördert. Ein paar Jahre später war ich kurz davor, Abteilungsleiter zu werden, da brach der Bürgerkrieg aus. Was ich erreicht habe, habe ich aus eigener Kraft erreicht, fast ohne fremde Hilfe. Machen wir uns nichts vor, ich habe wie viele andere dazu beigetragen, daß es zur Krise kam, und dann von den Kriegswirren profitiert. Die Turbulenzen haben alles durcheinandergebracht, den Abschaum nach oben gespült. Wir genießen den Wirrwarr und werden weder von Steuergesetzen noch von einem Parlament, einem Diktator oder einer Regierung, die drakonische Maßnahmen ergreift, belästigt: die idealen Voraussetzungen für Kapitalvermehrung.«
    »Was unterscheidet Sie von anderen, die im selben Dorf geboren, die mehr oder weniger ärmlich aufgewachsen sind?« fragt Malik.
    »Nirgendwo ist die Armut so gravierend wie in den Küstenregionen im Nordosten Somalias«, sagt Ma-Gabadeh und berichtigt sich dann, »bis auf die Orte, die Tiefseehäfen haben. Es gibt keine geteerten Straßen, keine modernen Kommunikationstechniken, keine Landwege, nicht einmal Seewege. Die Region, aus der ich komme, ist seit der Zeit der italienischen Kolonialzeit völlig vernachlässigt. Seit dem Zusammenbruch des Staates ist wegen der ausländischen Schiffe, die in unseren Gewässern fischen, alles nur noch schlimmer geworden. Wir haben nichts zu essen, keinen Fisch, den wir fangen könnten. Den Rest können Sie sich selbst denken.«
    »Wo waren Sie, als es zum Zusammenbruch des Landes kam?«
    »Ich war in Mogadischu, ein kleines, braves Rädchen in der Staatsmaschinerie. Ich habe meinem Land gedient, bis der Motor des Staates, in dem ich ein bloßes Rädchen war, stillstand, weil unser Präsident in einem Panzer geflohen war. Dann ging ich deprimiert nach Hause.«
    »Und dann?«
    »Ich habe meine Frau in ihre Heimstadt Guriceel geschickt.«
    »Wo ist Ihre Frau jetzt?«
    »Sie lebt in den USA , ist amerikanische Staatsbürgerin.«
    »Und wo sind Ihre Kinder?«
    »Sie sind bei ihr, sind ebenfalls Amerikaner.«
    »Was taten Sie, nachdem Sie Ihre Frau nach Hause geschickt hatten?«
    »Nach einigen Monaten der Arbeitslosigkeit wandte ich mich an einen Italiener, den ich kannte und schlug ihm vor, daß er und ich gemeinsam ins Hummergeschäft einsteigen sollten. Ich hatte noch ein paar der alten Akten, die ich vor den Plünderern gerettet hatte. Um mit ein paar meiner alten Kumpels ein Geschäft aufzubauen, zog ich nach Bosaso. Wir waren voller Tatendrang, wollten den Menschen eine Beschäftigung geben und stellten ungefähr

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