Gekauft für den Harem
etwa Kasim diesen Ausflug zu ihrem Vergnügen arrangiert? Und warum fühlte sie sich so schrecklich zerrissen zwischen dem Wunsch, ihm zu versichern, dass sie ihn nicht enttäuschen würde, und ihrem unbändigen Verlangen nach Freiheit?
5. KAPITEL
W ie lange würde es dauern, bis man sie wegen der geplanten Rettung benachrichtigte? Tagelang passierte gar nichts, und Harriet begann sich zu fragen, ob sie die Geschehnisse auf dem Basar nur geträumt hatte. Marguerite und sie befanden sich nun seit zwei Wochen im Harem, und die Erinnerung an den Fremden, der sie angesprochen hatte, begann zu verblassen. Wäre da nicht der Armreif gewesen, den die Erste Dame Katrina ihr zum Geschenk gemacht hatte, Harriet hätte geglaubt, alles wäre nur ihrer Einbildungskraft entsprungen. Oder hatte sie die Botschaft am Ende missverstanden? Warum war seitdem nichts geschehen?
Nichts Außergewöhnliches hatte sich seit ihrer Rückkehr in den Palast ereignet, obwohl seitdem fast eine Woche vergangen war. Kasim hatte sie zum Harem gebracht, ohne ein Wort mit ihr zu wechseln. Er holte sie weiterhin jeden Morgen ab und geleitete sie nach dem Unterricht in die Gemächer Katrinas.
Drei Tage nach dem Besuch im Basar hatte er sie nach den Schulstunden in einen anderen Teil des Palasts geführt.
„Bringt Ihr mich heute nicht zur Ersten Dame Katrina?“
„Später“, beschied er sie. „Erst möchte ich Euch etwas zeigen, von dem ich hoffe, dass es Euch gefällt.“
Sie sah ihn fragend an, doch er gab ihr keinerlei Hinweis. Sie kamen in einen Innenhof, der, wie sie feststellte, an drei Seiten von Pferdeställen umgeben war. Über einen Durchgang gelangten sie in eine Gartenanlage, in deren Mitte sich ein prächtiges Gebäude erhob. Als sie die heiseren Vogelschreie hörte, erkannte Harriet, dass es sich um eine Voliere handelte.
„Ihr haltet Greifvögel?“, fragte sie überrascht. „Sind es Eure, oder gehören sie dem Kalifen?“
„Diese hier sind meine“, erwiderte Kasim lächelnd. „Ich dachte, Ihr würdet sie mögen. Wollt Ihr sie sehen?“
Harriet nickte und folgte ihm in das Vogelhaus. Es war verblüffend zu sehen, dass die Falken gleichsam einen eigenen prachtvoll ausgestatteten Palast bewohnten – mit einem eigens eingerichteten Futterbezirk und Gärten mit Bäumen, auf denen sie sich niederlassen sowie Wasserbassins, in denen sie baden konnten. Einige der Vögel hatte man an Sitzstangen angebunden, doch die meisten flogen frei herum. Harriet erschrak, als einer der Falken so nah an ihr vorbeiflog, dass er sie beinahe streifte, und auf Kasims ausgestreckter Hand landete. Der Vogel gab einen leisen kehligen Laut von sich, beinahe so, als wolle er Kasim begrüßen.
„Hast du mich vermisst, meine Schöne?“ Kasim streichelte dem Tier über den Kopf. „Ich habe dir eine Besucherin mitgebracht. Sie kommt aus England, aber du wirst sie trotzdem verstehen, nicht wahr?“
„Ihr sprecht mit ihr wie mit einer Geliebten“, stellte Harriet fest und verspürte eine unerklärliche Eifersucht.
Kasim lachte in sich hinein. „Wusstet Ihr nicht, dass die Verbindung zwischen dem Falken und dem Falkner eine Art Liebesbeziehung ist? Hattet Ihr nicht die gleichen Gefühle bei Euren Pferden und Falken?“
„Die Falken gehörten meinem Vater, und das Vogelhaus, in dem er sie hielt, war bei Weitem nicht so prunkvoll wie dieses. Ich habe auch noch nie einen so zahmen Greifvogel erlebt.“ Lächelnd streckte Harriet die Hand aus, um den Falken zu streicheln, doch er wandte ihr ruckartig den Kopf zu und hackte ihr mit seinem Schnabel in den Finger. „Oh …“
„Vergebt meiner kleinen Prinzessin.“ Kasim hob den Arm, setzte den Vogel auf seine Sitzstange und nahm Harriets Hand in seine. Schweigend besah er sich die Verletzung, dann beugte er sich darüber und leckte das Blut ab. „Wunden heilen rascher, wenn man sie ableckt. Aber wenn es Euch beruhigt, bitten wir Katrina, Euch etwas zu geben.“
„Das wird nicht nötig sein.“ Harriet entzog ihm ihre Hand. Sie war völlig aufgewühlt. Sein Blick versengte sie förmlich, und für einen kurzen Moment glaubte sie, er würde sie in seine Arme ziehen und küssen. Dann schien er sich darauf zu besinnen, wer er war, und wich zurück. Harriet erschauderte innerlich. „Die Erste Dame Katrina wird annehmen, dass ich heute nicht komme“, sagte sie mit einer Stimme, die ihr selbst fremd war.
„Ich bringe Euch zu ihr. Es tut mir leid, dass das Falkenweibchen Euch angegriffen hat.
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