Gekauft für den Harem
zurückschickte, doch eine skeptische Stimme in ihrem Innern sagte ihr, dass sie so leicht nicht davonkommen würde. Sie konnte sicher sein, dass irgendeine Art von Bestrafung auf sie wartete.
Es spielte keine Rolle. Sie war darauf gefasst, jedem Ungemach tapfer ins Auge zu blicken, solange Marguerite nur die Flucht gelang.
Schluchzend eilte Marguerite über den verlassen daliegenden Innenhof in den privaten Garten der Ersten Dame Katrina. Es war den anderen Frauen verboten, ihn zu betreten, außer sie erhielten eine ausdrückliche Einladung, aber die Angst, entdeckt zu werden, verlieh Marguerite Flügel, und sie ging zügig auf den Springbrunnen zu, den Harriet ihr beschrieben hatte.
Harriet! Was würden sie mit ihr machen, wenn man ihre Flucht entdeckte? Marguerite hatte mehr Zeit im Harem verbracht als die Cousine, und obwohl ihr Französisch zu wünschen übrig ließ, hatte sie den Unterhaltungen der anderen Frauen doch entnommen, dass Fluchtversuche erbarmungslos geahndet wurden. Dafür, dass Harriet ihre Stelle eingenommen hatte, würde man sie unweigerlich zur Rechenschaft ziehen.
Die Sonne war untergegangen, und Dämmerung senkte sich über den Garten. Marguerite atmete tief durch und schlüpfte zwischen den Oleanderbüschen hindurch. In der Mauer dahinter befand sich tatsächlich ein schmales Gittertor. Von Harriet wusste sie, dass ihr Vater ihre Flucht in die Wege geleitet hatte. Bald würde sie ihn wiedersehen. Bald war sie frei und in Sicherheit – und dann würde sie dafür sorgen, dass Harriet befreit wurde.
Das Herz schlug ihr so heftig, dass sie meinte, man müsse es hören, als sie den Riegel zurückschob. Das Tor war unverschlossen. Sie zog es auf und trat durch den schmalen Durchgang. Obwohl es rasch dunkel wurde, sah sie die hochgewachsene Gestalt in dem schwarzen Umhang und trat auf den Mann zu.
„Ihr seid allein?“
„Meine Cousine konnte nicht mitkommen. Sie befahl mir, ohne sie zu gehen.“
Der Mann ließ eine unterdrückte Verwünschung hören, dann hielt er ihr einen Umhang hin, ähnlich dem, den er selber trug. Marguerite legte ihn an. Er verhüllte sie von Kopf bis Fuß.
„Wir haben keine Minute zu verlieren. Das Tor muss versperrt sein, ehe der Gongschlag zur Nacht ertönt, sonst sind wir verloren. Kommt jetzt, Eure Cousine hat ihre Wahl getroffen.“
„Aber … Sie verlässt sich darauf, dass Ihr sie auch befreit.“
„Das wäre zu gefährlich. Ein solches Unternehmen gelingt nur einmal.“
„Um Himmels willen … Ich muss zurück …“
„Seid leise.“ Der Griff, der sich um Marguerites Handgelenk schloss, war wie ein Eisenring. „Lasst uns von hier verschwinden, denn wenn sie uns erwischen, werden wir beide getötet.“
Vor einer prächtig geschnitzten Tür mit Silberbeschlägen und Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen blieben die Eunuchen stehen. Harriet schlug das Herz bis zum Hals. Als die Tür geöffnet wurde, schluckte sie mühsam. Dann stießen die Eunuchen sie über die Schwelle.
Schockiert stellte sie fest, dass sich zahlreiche Menschen in dem prunkvollen Raum aufhielten. Sie hatte erwartet, dass man sie ins Schlafgemach des Prinzen bringen würde, doch stattdessen fand sie sich in einem Audienzsaal wieder, an dessen einem Ende drei Personen auf einem Podium saßen – ein junger Mann, der der Prinz sein musste, ein älterer, der ihm ähnlich sah, und die Erste Dame Katrina. Zu beiden Seiten des Podiums standen Männer, und einer von ihnen war Kasim. Was in aller Welt hatte er hier verloren? Er durfte auf keinen Fall ihre Augen sehen.
Sie senkte den Kopf, als die Eunuchen sie vorwärtsschoben. Der junge Mann erhob sich von seinem thronartigen Sessel. Hassan war, wie sie sich erinnerte, der Kronprinz und der Lieblingssohn des Kalifen. Ohne den Blick von ihr zu wenden, stieg er die drei Stufen von dem Podest herunter und trat vor sie hin. Dann nahm er ihre Hand, hob sie sich an die Lippen und hauchte einen Kuss darauf.
„Ihr seid sehr schön, meine Dame, und ich bin glücklich, diesen Tag zu erleben“, sagte er leise. Harriet kämpfte einen Anfall von Panik nieder. Er sprach Englisch. Sie würde nicht so tun können, als verstünde sie ihn nicht.
Sie durfte nichts darauf antworten, wenn sie nicht riskieren wollte, dass ihre Maskerade aufflog. Hatte Marguerite es geschafft? War sie entkommen? Hatte die Zeit gereicht? Sobald man ihr Täuschungsmanöver entlarvte, würde der Tumult losbrechen. Harriet hielt den Kopf gesenkt, während ihr Magen sich
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