Gekauft für den Harem
kam mit den Bettlaken. Mit seiner Hilfe drehte sie den Kranken auf die Seite, sodass sie, wenn auch mit einiger Mühe, das schweißfeuchte Leinentuch unter ihm hervorziehen und durch ein frisches ersetzen konnte. Als sie ihn wieder zurückrollte, gab er einen unterdrückten Schmerzenslaut von sich, doch in der Rückenlage schien ihm seine verletzte Schulter die wenigsten Beschwerden zu bereiten. Harriet deckte ihn mit einem sauberen, trockenen Betttuch zu.
„Es ist Zeit für Eure Medizin“, sagte sie, obwohl sie sicher sein konnte, dass er sie nicht hörte, und wiederholte die Prozedur mit dem Zuhalten der Nase. Wieder schluckte Kasim die Flüssigkeit, verzog das Gesicht und wurde zusehends ruhiger.
Nach einiger Zeit kam der Arzt. Er nickte Harriet, die weiterhin neben dem Krankenlager saß und in einem von Kasims Büchern blätterte, beifällig zu, legte dem Patienten die Hand auf die Stirn und lächelte.
„Sein Zustand hat sich entschieden gebessert. Mir wurde gesagt, dass es Euch gelungen ist, ihm seine Medizin einzuflößen?“
„Zwei Mal, Doktor Ali. Nach der letzten Gabe wurde er ruhig und schläft seitdem.“
„Das ist gut. Ich wusste, dass Ihr die Richtige seid, um ihn zu pflegen, Harriet hanim .“
„Ich bin froh, wenn ich helfen kann, Sir, doch ich fürchte, ich weiß zu wenig.“
„Allah hat Euch mit einer Weisheit gesegnet, die Euren Jahren weit voraus ist, und wenn es Allahs Wille ist, wird der Berater Kasim sich erholen.“
„Ich bete für ihn.“ Harriet presste die Lippen zusammen, um das Aufschluchzen zurückzuhalten, das ihr die Kehle hochstieg. Bislang hatte sie es geschafft, nicht zu weinen, obwohl sie den Tränen nahe war.
„Ich überlasse ihn Euren fähigen Händen, Harriet hanim, aber achtet darauf, dass Ihr Euch nicht zu sehr ermüdet. Wenn seine Gesundung weiterhin solche Fortschritte macht wie bisher, wird er die Krise in ein paar Stunden überwunden haben, und dann können die Diener Euch ablösen. Ich komme heute Abend wieder und wechsle seinen Verband.“
„Danke, dass Ihr nach ihm gesehen habt.“
Der Arzt verbeugte sich und ging.
„Kann ich Euch eine Erfrischung bringen, Harriet hanim? “ Harriet drehte sich nach dem Mann um, der gesprochen hatte, einem älteren, kräftigen Palastdiener. „Ihr habt seit Stunden nichts gegessen und solltet etwas zu Euch nehmen, um bei Kräften zu bleiben.“
„Ich fühle mich gut, aber ich hätte Appetit auf etwas Obst und ein Sorbet.“
„Es ist mir eine Ehre, Euch zu dienen.“
Der Diener verließ das Gemach, und Harriet legte Kasim prüfend die Hand auf die Stirn. Seine Haut fühlte sich viel kühler an, das Fieber musste weiter gesunken sein. Für einen kurzen Moment verspürte sie den überwältigenden Drang, ihren Mund auf seinen zu pressen, doch sie hielt sich zurück. Wie sollte sie sicher sein, dass sie nicht auch hier heimlich beobachtet wurde?
„Harriet?“ Kasim schlug die Augen auf und sah sie an. „Warum seid Ihr hier?“
„Hassan holte mich her, damit ich Eure Pflege übernehme, Mylord. Ich habe mich um die Patienten im Krankenhaus gekümmert – sollte ich für Euch weniger tun? Ihr hattet Wundbrand, und es machte dem Prinzen Angst, dass Ihr im Fieber spracht.“
„Was habe ich gesagt?“
„Irgendetwas darüber, dass Ihr unschuldig seid … dass Euer Vater Euch vergeben sollte. Hassan konnte sich keinen Reim darauf machen.“
„Anscheinend sprach ich mit meinem leiblichen Vater.“ Kasim presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Er enterbte mich wegen eines Verbrechens, das ich nicht begangen hatte. Deswegen verließ ich England und … kam hierher.“
„Er hätte Euch glauben müssen. Als Euer Vater musste er doch wissen, dass Ihr die Wahrheit sprecht. Selbst ich weiß, dass Ihr niemals wortbrüchig werdet oder das Vertrauen anderer Menschen missbraucht.“
„Wem sagt Ihr das.“ Kasim lächelte schwach. „Habt Ihr mir vergeben, Harriet? Ich habe Euch und Marguerite großes Unrecht zugefügt, als ich Euch hierher brachte.“
„Marguerite befindet sich längst wieder bei ihrer Familie, so hoffe ich … alles andere ist nicht von Bedeutung, aber mir kommt es so vor, als hätte mein Leben hier viel mehr Sinn als in England. Wenigstens kann ich mich im Spital nützlich machen, und die Kinder scheinen mich zu mögen.“
„Ihr hört Euch an, als wärt Ihr nicht unglücklich?“
„Genauso ist es. Ich habe Frieden gefunden. Es würde mir gefallen, ausreiten zu können, wenn mir
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