Gekauft für den Harem
bevor er fortreitet. Ich muss ihm sagen …“
„Es ist zu spät, Harriet hanim .“ Ramona schüttelte bedauernd den Kopf. „Die Männer ritten bereits vom Hof, als ich mich auf den Weg hierher machte.“
„Er ist fort? So schnell?“ Harriet entsetzt schnappte nach Luft. Ein eiserner Ring schien sich um ihre Brust zu schließen. Kasim war gegangen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Es konnte sein, dass er getötet wurde, und dann würde sie ihn nie wiedersehen.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie so leise, dass nur sie die Worte hören konnte. „Bitte komm unversehrt zurück zu mir. Wenn du stirbst …“ Sie unterdrückte ein Schluchzen.
Es war nicht wichtig, ob er eine oder drei Frauen in sein Bett mitnahm, sie liebte ihn so sehr, dass es schmerzte. Wenn er starb, würde sie es nicht ertragen.
In den nächsten Tagen schien die Zeit nicht vergehen zu wollen. Morgens ging Harriet ins Hospital und besprach mit den Dienern, was ihrer Meinung nach getan werden musste, damit die Patienten es bequemer hatten. Dann gab sie den Kindern Unterricht und verbrachte anschließend ein paar Stunden mit Katrina. Die Freundin tat ihr Bestes, um sie zu beruhigen.
„Kasim kommt als Sieger zurück“, versicherte sie Harriet ein ums andere Mal. „So war es immer.“
Harriet hätte ihr gerne geglaubt, doch sie erinnerte sich an Kasims Worte, als sie ihn ein paar Nächte zuvor ins Krankenhaus begleitet hatte. Dass sie nichts zu befürchten brauchte, solange er mit seinen Freunden kämpfte, dass es jedoch etwas ganz anderes war, wenn er Krieg gegen die Bergstämme führen musste.
Es war der fünfte Tag nach dem Aufbruch der Strafexpedition, und Harriet hatte gerade mit dem Unterricht angefangen, als Hassan das Schulzimmer betrat. Sie erschrak, als sie sein besorgtes Gesicht sah.
„Lady Harriet, ich brauche Eure Hilfe“, sagte er ernst. „Kasim wurde verwundet. Seine Männer brachten ihn gestern Nacht hierher, und Doktor Ali, unser Leibarzt hat ihn umgehend versorgt, doch jetzt muss er richtig gepflegt werden. Ich hätte Mellina darum gebeten, doch sie ist selber krank. Und von den anderen Frauen verfügt keine über Erfahrung in der Pflege von Verwundeten.“ Die Bewegung, mit der Hassan sich durchs Haar fuhr, hatte etwas Verzweifeltes. „Mein Bruder hat hohes Fieber. Ich fürchte, er leidet an Wundbrand, und der Arzt meint, Ihr seid die Einzige im Palast, die er mit der Aufgabe betrauen würde.“
„Ich will ihn sofort sehen. Liegt er im Hospital?“
„Nein. Er bestand darauf, in seine eigenen Gemächer gebracht zu werden. Könnt Ihr Euch um ihn kümmern? Der Arzt hat seine Verletzung gereinigt und verbunden, doch nun muss Kasims Zustand sorgfältig überwacht werden.“
„Selbstverständlich übernehme ich seine Pflege. Aber nun lasst mich zu ihm gehen.“
Hassan schien ein Stein vom Herzen zu fallen. „Ich traue Euch mehr zu als sämtlichen anderen Frauen, weil Ihr meiner Mutter so ähnlich seid.“
„Geht es ihm sehr schlecht?“, fragte sie, als sie Kasims Gemächer beinahe erreicht hatten.
„Ich habe Angst, dass er stirbt“, gab der Prinz offen zu. „Er ist nicht bei Besinnung und fantasiert. Allerdings verstehe ich nicht, wovon er in seinem Fieberwahn spricht.“
Die meisten der zahlreichen Innenhöfe, um die sich die einzelnen Trakte des Palastes gruppierten, kannte Harriet, doch Kasims Wohnquartier hatte sie nie betreten – auch wenn sie oft in der Versuchung gewesen war. Neugierig sah sie sich um. Die Räume waren ähnlich eingerichtet wie ihre eigenen, doch die gedeckten Farben und der aufs Notwendigste reduzierte Komfort sorgten für eine unbestreitbar maskuline Atmosphäre. An den Wänden standen Truhen aus schlichtem Eichenholz, ein Seekoffer und eine Kiste aus England, in denen sich, wie Harriet vermutete, Kasims persönliche Besitztümer befanden. Statt einer Ansammlung hübscher Gegenstände lagen Waffen und Bücherstapel auf den Möbeln, und in einer Ecke standen mehrere Paar Stiefel.
Einen festen Verband um die Schultern und ansonsten nur mit einem weißen Lendentuch bekleidet, lag Kasim auf seinem Diwan. Statt der üblichen Seidenlaken waren Leinentücher darüber ausgebreitet, doch in seinem Delirium hatte der Fiebernde sie fortgetreten.
Harriet stockte der Atem beim Anblick seines entblößten Körpers. Wie viele Narben er hatte, und wie deutlich sie sich gegen die tief gebräunte Haut ausnahmen! Als sie an sein Lager trat, öffnete er die Augen und sah sie an, doch sie
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