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Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Titel: Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svetlana Sekulic
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Husten nicht mehr aufhören
wollte und ich oft nur vorgab zu husten, um wieder eine heiße
Milch mit einem Löffel Zucker darin schmecken zu können und
keiner mehr, der mich in den Schlaf sang, wenn Hunger und Kälte
mich nicht sofort einschlafen ließen. Und da ich längst
kein Kind mehr war und nicht bekocht und bedient werden musste mit
heißer Milch und aufgelöstem Zucker, deswegen musste ich
wieder zurück in die Wohnung und musste mein Leben weiterleben,
da ich nicht den Mut hatte, es einfach weg zuwerfen, denn ich wollte
Babu wiedersehen und ich wollte im Himmel auch meine Mutter
wiedersehen, die mich einfach so verlassen hatte, obwohl ich damals
nicht verstanden hatte, warum sie ging und mich nicht mitnahm und ich
mir an diesem Abend ziemlich sicher war, dass Vater gehen würde,
dass der Gestank von Alkohol vom Vater herkommen musste, dass bei den
ständigen Streitereien der Vater der Übeltäter war und
dass ich nächtelang damit rechnete, dass Mutter sich umdrehte
und zum Haus zurück lief, weil sie bemerkt haben musste, dass
sie vergessen hatte, mich mitzunehmen und ich deswegen versuchte, so
wenig wie möglich zu essen, damit ich jederzeit noch durch den
Türspalt passen konnte, wenn Mutter heimlich die Tür
öffnete und mich bat, leise durchzuschlüpfen und wenn ich
all die geliebten Menschen wiedersehen wollte, so durfte ich meinem
Leben selbst kein Ende bereiten, das Leben musste mit mir Schluss
machen, damit ich in den Himmel kam, das lehrte mich Großmutter
und ich glaubte alles, was Großmutter mir erzählte, da sie
mich schließlich liebte und mich großzog wie ihr eigenes
Kind, nachdem Vater eines Tages für immer verschwand und mein
kleiner Bruder an der kalten Milch erstickt war. Aber ich ging nicht
nach Hause. Ich ging in eine Kneipe und trank mir jeglichen
vernünftigen Gedanken aus dem Gehirn und ich spielte Karten und
ich gewann sogar. Ich gewann viel zuviel diesmal und ich trank noch
mehr, da es jetzt zu spät war, für Babu eine Kutsche mit
sechs schwarzen Pferden zu mieten. Ich könnte das viele Geld für
meine eigene Beerdigung aufheben, aber das schien mir noch grotesker,
als alles andere zu sein, was ich bislang angestellt hatte in meinem
Leben und so spielte ich weiter, bis das gewonnene Geld förmlich
in meinen Händen zerrann und endlich konnte ich wieder aufatmen
und mich befreit fühlen, denn so hatte ich wie gewohnt nichts
und war wie gewohnt ein Niemand und deshalb konnte es nicht so
schlecht gewesen sein, hinter einem einfachen Karren, hinter Babu
hergelaufen zu sein. Denn sie hätte mich verstanden und hätte
es mit Sicherheit eingesehen, dass ich einfach nichts mehr in den
Taschen jetzt und überhaupt niemals wieder in meinem Leben etwas
haben werde. Und ich ging meine Straße entlang und ich hörte
nicht mehr auf zu weinen, denn seit ich ein Kind war, hatte ich
zuletzt geweint und hatte so gesehen genügend Tränen übrig,
obwohl ich es schon immer rauslassen wollte, mich aber nie getraut
hatte. Ich konnte seit damals nie mehr wieder weinen, so sehr ich
mich auch bemühte. Wahrscheinlich wollte ich meine Traurigkeit
niemandem zeigen und unterdrückte heldenhaft jegliche Träne.
Und jetzt nach vielen endlosen Jahren rannten sie nur so herab. Der
ganzen Welt wollte ich zeigen, dass ich noch Mensch bin und noch
Gefühl in mir trage und dass ich meine Babu geliebt hatte und
einzig für sie, zu einer menschlichen Regung noch fähig
bin. Und die Tränen brannten und brannten und hörten nicht
mehr auf. Das Tränenwasser, es brennt und es läuft über
das Gesicht und es gibt keine Rettung, keine Möglichkeit diesen
Fluss aufzuhalten, als es zu gewähren und es rinnen zu lassen,
hinab über das Gesicht, bis hin zu der Erde und es mit den Füßen
zu zertreten. Nicola ging und ging und weinte und weinte. Er wollte
nie wieder mit dem Gehen und mit dem Weinen aufhören und mit dem
Bekunden seine Großmutter tatsächlich geliebt zu haben und
konnte auch nicht mehr aufhören und schrie alles in die Welt
hinaus, was für eine Ungerechtigkeit hier auf dieser Erde
herrschte, dass dieser geliebte Mensch von ihm einfach so weggerissen
wurde und aus seinem Leben für immer weggenommen wurde, obwohl
Babu doch sehr alt geworden ist und ein Niemand etliche hundert Jahre
alt werden konnte. Und während er schrie und brüllte und
weinte, musste er an das Lachen denken. Er erinnerte sich daran,
einmal gelesen zu haben, dass die Traurigen die Lachenden sein
werden. Über diesen Witz machte sich ein

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