Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
Wissen, vor deiner
Hilflosigkeit und vor deiner Abhängigkeit. Es war die Liebe. Sie
machte mich unerträglich, sie machte es unerträglich für
mich an sich. Ich ertrug es nicht mehr, geliebt zu werden. Ich ertrug
dich nicht mehr. Ich wurde zunehmend zum Tier. Ich hatte Angst, dich
aufzufressen. Ich war meiner selbst nicht mehr sicher. Ich musste in
der Höhle bleiben und durfte niemals wieder herauskommen. Ich
durfte keine Gefahr werden. Nicht für dich, meiner großen
Liebe. Alles wurde Vergangenheit. Alles konnte nur noch Bilder der
Erinnerung werden. Dein Lachen, deine Freude, dein Körper. Ich
konnte all das nicht mehr umarmen und all das nicht mehr mit
Rosenmilch eincremen. Diese Bilder, sie hängen längst als
Vergangenheit in meinem Gehirn fest. Ich musste mit ihnen gehen, mit
den Bildern reisen und alles Greifbare hinter mir lassen. Und so
sitze ich alleine auf meinem Stuhl, an einem kleinen Tisch und bin
mir selbst der beste Freund. Ich bin allein und allein fühle
mich noch am Erträglichsten. Die Tage kommen und gehen, ohne von
irgend einem Menschen angehalten zu werden und doch gleicht kein Tag
dem anderen. Wie unterschiedlich die Tage doch sein können und
das ist auch gut so. Das fällt mir insbesondere dann auf, wenn
der Morgen hereinbricht und ich bereits in mir spüre, dass
dieser Tag ein erbärmlicher sein wird, obwohl es als solches
nichts kann, fühle ich mich bereits beim Aufstehen sehr
miserabel und mache die Zeit dafür verantwortlich. An so einem
Tag bleibe ich sitzen, warte Stunde um Stunde, wie der Tag endlich
vergeht und ich freue mich innerlich, dass ich einfach so dasitzen
und warten konnte, dass dieser erbärmliche Tag am vergehen ist
und sich letztendlich verabschiedet hat. Und am Abend dieses Tages
atme ich erleichtert auf, denn ich spüre, dass der darauf
folgende Tag mit Sicherheit weniger erbärmlich sein wird, weil
eine Steigerung schon fast nicht möglich ist. Ich weiß
das, denn ich lebe nicht erst seit heute. Manchmal bleibt ein Tag nur
ein Tag. Nicht mehr und nicht weniger. Aber gerade so ein Tag macht
mich besonders überlegen, denn ich weiß um meine Fähigkeit
diesen Tag nur im Stehen oder nur im Sitzen und im Beobachten von
Nichts bestreiten zu können. Somit habe ich die Zeit im Griff,
wenn auch nur für den Tag an sich. Es gibt noch eine Steigerung.
Ich habe die Zeit wesentlich stärker im Griff, denn ich kann
über mehrere Tage nichts machen. Einfach nur nichts machen und
mich dabei beobachten. Mich selbst beobachten, wie ich über der
Zeit stehe und mich nicht von ihr kommandieren und mir nichts von ihr
vorschreiben lasse. Das ist meine persönliche Würde, die
ich an das Leben richte. Denn, die Würde des Menschen ist
antastbar. Schon allein deswegen, da es einen solchen Satz gibt, der
uns davon überzeugen möchte. Davon überzeugen möchte,
dass es auf keinen Fall anders sein könnte. Unterm Strich ist
die Zeit nicht aufzuhalten und nicht einzuholen und die Würde
des Menschen leider jederzeit antastbar und so sitze ich immer noch
auf einem Stuhl und vor einem kleinen Tisch. Und ich denke weiter.
Ich denke zum Beispiel daran, dass alle Kreaturen sterben werden.
Natürlich auch ich. Und es macht mir nichts mehr aus. Ich habe
genug erlebt und gesehen und es wäre nicht der Rede wert noch
mehr zu erleben und noch mehr zu sehen. Das Leben ist sehr
wechselhaft, aber unterm Strich lohnt es sich nicht, es in die Länge
zu ziehen. Die Menschen sind mir gleichgültig und alles
drumherum ebenso. Alle werden gehen. Zuerst war die Katze dran, dann
kam Babu, dann werden Kinder, Enkelkinder in die weite Welt reisen
und nur ich selbst werde übrig bleiben und alleine auf einem
Stuhl sitzen und darüber und über das Nachdenken an sich
denken. Alleine in einem Kämmerchen verweilen und mir einen Brei
auf dem Herd kochen und wenn ich noch flink genug bin, dann wird der
Brei nicht überlaufen, nicht aus dem Töpfchen herauslaufen,
um auf dem Boden zu landen und mir einen Weg bis zur Tür
aufzuzeigen. Aber was nützt der schönste Brei auf dem
Boden, wenn man keine Kraft mehr hat ihm zu folgen. Ich sitze und
blicke auf meinen kleinen Tisch, vorbei an dem eingegangen Pflänzchen
darauf. Ich frage mich, warum nur, ist es mir nicht möglich eine
Pflanze am Leben zu halten. Alle Pflanzen sind eigens unter meiner
Hand umgekommen. Alle ohne Ausnahme. Ich habe sie gepflegt und
gegossen und ans rechte Licht gerückt, aber ich habe sie nie
wirklich beobachtet. Ich habe ihnen nie die
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