Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)
und hübsch anzusehen und sie genoss es und liebte es
im Mittelpunkt zu stehen und das war die beste Voraussetzung in
diesem Theatermilieu. Sie hatte auch Talent. Mit Sicherheit war sie
sehr von sich überzeugt und sehr couragiert. Aber irgendwie
hatten noch viele tausend anderer junger Schauspielerinnen ebenso
Courage und so hieß es erstmal für Babu, in der Garderobe
des Theaters zu arbeiten. Ich glaube eher, es lag daran, dass Babu
tatsächlich glaubte, es käme ihr eines Tages ein
wunderschöner Prinz entgegen, der sie mit auf einem schwarzen
Pferd in sein Schloss entführte. Tatsächlich gab es aber
nur einen Regisseur, der so gar nicht dem Geschmack von Babu
entsprach und von dem sie sich auch nicht zu einem Abendessen auf
seiner Suite einladen lassen wollte. Babu betrachtete die vielen
Gäste, die kamen und ihr die pelzbesetzten Jacken und Mäntel
anvertrauten mit großer Skepsis und mit sehr viel Neid. Sie
bewunderte die schicken Damen und die großen Herren, gekleidet
in schwarzem Smoking nicht wirklich, sie verachtete sie. Sie
beobachtete die Pärchen, die vor ihr dastanden und sie überlegte
immer sehr lange, ob diese Pärchen glücklich oder
unglücklich miteinander waren. Manchmal standen sehr ungleiche
Paarungen vor ihr, wo sie genau auszumachen vermochte, dass das nicht
mehr lange gut gehen würde. Entweder war er viel zu alt und sie
zu jung oder aber beide waren noch viel zu jung und wussten um einen
schnellen Wechsel, da das ganze Leben ihnen bevor stand und keiner
gezwungen war bei dem anderen zu verharren. Manchmal hatte Babu das
Bedürfnis einem alten Herrn den Stock auf seinen Kopf zu hauen,
wenn sie neben ihm ein junges und unschuldiges Ding sah, das auch nur
neben ihm stand, da er zuviel Geld in der Hosentasche mit trug. Oder
Babu schüttelte den Kopf, wenn eine ältere Dame, umhüllt
von Diamantenketten und Diamantenringe einen jungen, unschuldigen
Knaben umarmte, der sich offensichtlich nur umarmen ließ, da
sie bald das Gesegnete heimsuchte und er auf ihren Reichtum hoffte.
Es war anstrengend für Babu in der Garderobe zu arbeiten. Es
kostete sie enorme Kraft all der Heuchelei zu begegnen und inmitten
der Gier nach Geld und Ansehen zu arbeiten. Lange würde sie es
nicht mehr aushalten. Sie gehörte nicht in die Garderobe,
sondern auf die Bühne. Sie trug soviel Elan und Schauspielkunst
mit sich, dass es eine große Verschwendung war sie nicht auf
die Öffentlichkeit loszulassen. Noch stand sie in der Garderobe
und konnte die Stimmen, die Geräusche, die Klänge aus dem
Theater hören, konnte sich die Hauptdarsteller und die
Nebendarsteller auf der Bühne vorstellen, konnte sich auch
vorstellen endlich abgeholt zu werden von ihrem wunderschönen
Prinzen. Sie glaubte fest daran, denn sie glaubte auch an den lieben
Gott. Und als die Zeit verging und Babu nicht mehr so recht die
Mäntel und die pelzbesetzten Jacken der Gäste bewunderte,
ließ sie sich doch mit dem Regisseur auf ein Nachtessen in
seinem Appartement ein, mit dem Regisseur, den sie küssen
musste, weil er tatsächlich wie ein Frosch aussah. So trug Babu
bis zuletzt die Hoffnung mit sich, ihr Märchen würde in
Erfüllung gehen. Aber es gab keine Verwandlung, nicht beim
ersten Mal und auch nicht beim letzten Mal. Der Frosch blieb ein
Frosch. Dafür bekam Babu die Chance auf eine Nebenrolle in dem
Stück `Oleander und Wacholder`. Babu war in ihrem Element. Sie
hatte es geschafft. Auch wenn sie ein klein wenig nachhelfen musste,
um den Frosch zu überzeugen, dass sie zu hundert Prozent aus
Talent bestand. Und so wurde Babu eine Schauspielerin in dem Theater
Vagabundi, ein angehender Star auf der Bühne inmitten von
Moskau. Zu jeder Tages – und Nachtzeit lernte sie ihren Text
auswendig, auch wenn es sich nur um zwei Zeilen handelte. Sie wollte
kein Risiko eingehen und sie wollte alle überzeugen mit ihrem
Talent. Mit Verachtung würde sie an der Garderobe vorbeigehen,
die Treppen hinauf zu ihrem großen Ruhm. Vorbei an den Gästen,
die nichts anderes im Kopf hatten, als zu glänzen und andere
dabei ausnutzten. Sämtliche Herrschaften würden sich um sie
reißen und sie würde wählen können, zwischen
naiven Jüngling oder steinreichen alten Sack. Sie übte und
übte ihre Textzeilen, wann immer sich die Möglichkeit fand
und sie fühlte sich integriert in dem Ensemble, inmitten von
Hauptdarstellern und Nebendarstellern. Sie war endlich eine von ihnen
geworden und sie war froh den Frosch geküsst zu haben, hoffte
aber innigst es
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