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Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition)

Titel: Gekehrte Straßen oder einfach nur darauf gespuckt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svetlana Sekulic
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Gesicht,
denn sie kam sich wie ein bewunderter Star vor, da sie sich tobenden
Applaus der Delegierten selbst vorstellte und ihr irgendwie noch ganz
wohlig war von der nächtlichen warmen Schlafstätte und
jetzt auch ohne Probleme den Weg nach draußen fand.

    Mirko
war mein kleiner Bruder. Ich kannte ihn nicht wirklich, denn er
durfte nicht lange auf dieser Welt sein. Ich konnte mich daran
erinnern, wie er in seinem Kinderstuhl saß, während wir
zum gemeinsamen Essen am Tische beieinander waren. Ich kann mich
erinnern, dass er helles Haar hatte. Er hatte nicht viele Haare, aber
die wenigen, die er hatte waren hell wie der Sonnenschein. Auch war
seine Haut sehr weiß, fast durchsichtig. Dazu noch die hellen
grauen Augen. Manchmal erschien er mir, als käme er von einem
anderen Stern. Er war mir sehr fremd. Und wenn meine Eltern nicht ab
und an gesagt hätten, dass das mein Bruder wäre, ich hätte
es nicht geglaubt. Er kam mir seltsam und ungeheuerlich vor. Gerade
weil er mir überhaupt nicht ähnlich sah. Er war das genaue
Gegenteil von mir. Und das machte mir angst. Er war noch sehr klein,
konnte nicht sprechen, aber er war er sehr aufmerksam und äußerst
wach. Manchmal, wenn er da saß in seinem Kinderstuhl, dann
schien es mir, als wäre er klüger und allwissender als wir
alle zusammen und das ließ mich innerlich zusammen zucken. Ich
bekam eine Gänsehaut, wenn sein Blick auf mich ruhte. Er
lächelte mich nicht an, sondern sah durch mich hindurch. Er
schien in mein Innerstes hinein zu schauen. Während ich eine
Gänsehaut bekam, ging ich auf ihn zu und fragte ihn, ob irgend
etwas nicht in Ordnung sei. Ich wollte ihn ablenken oder auch nur
seinen starren Blick von mir abwenden. Und während meine Frage
in seinen kleinen Kopf drang, blickte er mich mit den hellen Augen an
und über sein weißes, durchsichtiges Gesicht machte sich
ein erstes Lächeln breit. Aber ich bekam keine Antwort. Wie
hätte er auch antworten können. Er war noch zu klein. Wie
hätte ich wissen können, dass er niemals wieder in seinem
Leben auf eine Frage hin würde antworten können. Ein paar
Tage später lag er tot in seinem Bett. Er würde niemals auf
meine Frage eine Antwort gefunden haben, vielleicht lag sie ihm
bereits auf der Zunge. Und ich konnte nie wieder meine Angst ihm
gegenüber verlieren oder ihm mitteilen, wie gern ich ihn hatte.
Vater hatte ihn am Morgen im Bett entdeckt und ich wollte eigentlich
zur Schule gehen. Mutter war Wochen zuvor verschwunden, aus unserem
Leben für immer verschwunden und ich blieb zu Hause, bei Vater
und bei meinem kleinen toten Bruder. Zum ersten mal strich ich ihm
über sein helles Haar, dass sich weich wie Samt anfühlte.
Hätte ich früher gewusst, wie weich es sich anfühlte,
hätte ich ihn öfters gestreichelt. Ich fragte Vater, wie
das sein kann, dass sich helles Haar so weich anfühlt, ganz
anders als schwarzes Haar. Ich bekam keine Antwort, aber Vater
lächelte auch nicht dabei. In diesem Moment wünschte ich,
Mirko würde wieder aufwachen und er würde mit mir reden,
denn auch ich hatte ihm vieles zu erzählen. Aber er erwachte
nicht mehr. Vater trug ihn nach draußen, wo eine Kutsche auf
ihn wartete. Er wurde in eine Kiste gelegt und ich musste zu Hause
bleiben. Und ich spürte zum ersten Mal so richtig in meinem
Leben, was es heißt das Leben zu spüren. Es bedeutete
Schmerz und Einsamkeit und Verlassenwerden. Mein Gesicht klebte über
Stunden hinweg an dem Küchenfenster. Ich sah, wie sich Wolken
zusammen taten und sich wieder lösten. Ich sah, wie kleine
leichte Tropfen auf die Erde herab fielen und mit der Zeit immer
energischer und lauter wurden. Ich sah, dass mein Vater durch den
Regen auf unsere Wohnung zuschritt. Ohne Kutsche, ohne Kiste, ohne
Mirko und ohne Leben in sich drin. Er weinte nicht und er sprach
nicht. Er blieb von diesem Moment an stumm. Er trat durch die Tür
und ich wandte mich von dem Anblick meines Vaters ab. Und ab diesem
Tag war mein Blick nur noch auf Babu gerichtet. Babu war die Mutter
von Vater. Als meine Mutter für immer aus unserem Hause
verschwand, zog Babu bei uns ein. Sie hütete und pflegte alles,
was sich in unserer kleinen Wohnung befand. Und so erzählte Babu
mir eines Tages etwas, das mich sehr nachdenklich stimmte. Es war ein
strahlender Sommertag. Babu und ich saßen auf der Küchenbank
und Babu kochte mir eine heiße Milch, da ich seit Tagen
Halsschmerzen hatte. Halsschmerzen, trotz herrlichem Sommerwetter
draußen. Babu erzählte von dem Abend,

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