Geklont
waren so schlau, das Zeug nicht zu fressen. Es gab Azis, die nichts anderes taten, als mit ihnen umherzugehen, jeden Tag mit Schweinen, die nie jemand zu Schinken verarbeiten würde, durch die Gehege und über die Felder zu schweifen und alles auszurupfen, was sich hinter die Zäune verirrt hatte. Die Spürgeräte waren schon gut, aber Andy sagte, die Schweine seien in mancherlei Hinsicht besser.
Das war es, was sie auf den Bändern meinten, dachte Florian, wenn sie sagten, daß die erste Regel aller Regeln die war, daß man eine Möglichkeit finden sollte, nützlich zu sein.
II
Ari las die Aufgabe, vertiefte sich in ihr Bandwissen und fragte Mama: »Macht es etwas aus, wie viele von ihnen Jungen und wie viele Mädchen sind?«
Mama überlegte einen Moment lang. »Eigentlich schon. Aber du kannst so drangehen, als sei's egal.«
»Warum?«
»Weil, und das mußt du dir unbedingt merken, bestimmte Dinge in bestimmten Aufgaben weniger wichtig sind; und wenn du gerade lernst, wie man eine Aufgabe löst, hilft es dir, dich an die Dinge zu erinnern, die am wichtigsten sind, wenn du die unwichtigen ausläßt. Alles in der Welt ist für diese Aufgabe wichtig - Jungen und Mädchen, das Wetter, ob oder ob sie nicht genug zu essen bekommen, ob es Tiere gibt, die sie auffressen -, aber jetzt im Moment kommt es nur auf die Gene an. Wenn du all diese Aufgaben lösen kannst, werden sie dir sagen, wie du die anderen Dinge einbeziehst. Noch eins: Sie werden dir äußerst ungern sagen, daß du alles wußtest. Es könnte noch etwas geben, woran niemand gedacht hat. Und solltest du glauben, sie hätten dir alles gesagt, könntest du damit reinfallen. Deshalb fangen sie einfach an und fügen später hinzu, ob es Jungen oder Mädchen sind. Alles klar?«
»Es macht also was aus«, sagte Ari verbissen, »weil die Fischjungen gegeneinander kämpfen. Aber es werden vierundzwanzig Blaue sein, wenn keiner gefressen wird. Aber sie werden gefressen, weil Blaue leicht zu sehen sind und sie sich nicht verstecken können. Und wenn man sie mit dem großen Fisch zusammentut, wird es überhaupt keine blauen Fische mehr geben.«
»Weißt du, ob Fische Farben sehen können?«
»Können sie's?«
»Lassen wir das mal einen Moment beiseite. Was ist, wenn die Weibchen blaue Männchen mehr mögen?«
»Warum sollten sie?«
»Stell's dir nur mal vor. Denke es eine Generation weiter.«
»Wieviel besser?«
»Fünfundzwanzig Prozent.«
»Die ganzen Blauen werden den großen Fisch nur noch dicker machen, und sie werden eine Menge Babies haben. Das wird jetzt komplizierter.«
Mama setzte diesen komischen Blick auf, als ob sie niesen oder lachen oder sich aufregen würde. Und dann wurde ein sehr komischer Blick daraus, der überhaupt nicht mehr komisch war. Und sie zog Ari an sich und umarmte sie.
Mama tat das oft in letzter Zeit. Ari dachte, sie müßte glücklicher sein, als sie es war. Mama hatte noch nie so viel Zeit mit ihr verbracht. Ollie auch nicht.
Aber sie hatte ein Gefühl von Gefahr. Mama war nicht glücklich. Ollie genausowenig. Ollie strengte sich an, ein Azi zu sein, so gut er konnte, und Mama und Ollie schrien sich nicht mehr an. Mama schrie überhaupt nicht mehr. Nelly sah die meiste Zeit nur verwirrt aus. Phaedra lief herum und versuchte auch, Azi zu sein.
Ari war erschrocken und wollte Mama fragen, warum, aber sie hatte Angst, Mama würde weinen. Mama hatte in letzter Zeit immer diesen Blick. Und es tat weh, wenn sie weinte.
Sie hielt sich einfach an Mama fest.
Am nächsten Morgen ging sie in die Spielschule. Sie war inzwischen groß genug, um selbst zu gehen. Mama umarmte sie an der Tür. Ollie kam und umarmte sie auch. Er hatte das lang nicht mehr gemacht.
Sie blickte zurück, und die Tür war geschlossen. Sie hielt das für komisch. Aber sie ging weiter zur Schule.
III
›Reseune Eins‹ hob von der Startbahn ab, und Jane klammerte sich mit den Händen an die ledernen Arme des Sitzes. Und sah nicht aus dem Fenster. Sie wollte Reseune nicht hinter sich zurückfallen sehen. Sie biß sich auf die Lippe, schloß die Augen und spürte etwas über ihr Gesicht rinnen, während die leichte Beschleunigung sie in den Sitz preßte.
Als sie die Reiseflughöhe erreichten, wandte sie ihr Gesicht Ollie zu. »Ollie, hol mir einen Drink. Einen doppelten.«
»Ja, Sera«, sagte Ollie, löste seinen Gurt und kümmerte sich darum.
Phaedra, die vor ihnen saß, hatte ihren Sitz umgedreht, um sie über den kleinen Tisch hinweg
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