Geklont
hatte, einen Zwischenfall mit dem Reseuner Sicherheitsdienst vor laufenden Kameras zu inszenieren, kam jetzt sicherlich jemand drauf, wahrscheinlich Khalid, und wahrscheinlich würde es in Novgorod passieren.
»Ich bitte euch«, hatte sie geantwortet, als die beiden sie darauf ansprachen, »macht euch keine Sorgen deswegen. Wenn das getürkt war, wäre das erst eine Auswirkung, die unseren Feinden nützen könnte. Zieht euer Band nicht in Zweifel; reagiert, und reagiert auf jeder Ebene, die euer Band euch angibt. Solang ich lebe, kann ich alles regeln - was sich politisch daraus ergibt. Zweifelt ihr daran?«
»Nein«, hatten sie ernst versichert.
Deshalb schlug sie mit der Hand auf den Tisch, und sie sprangen auf, als sei eine Bombe explodiert, blaß vor Schreck.
»Na, seht ihr«, sagte sie. »Ihr seid immer noch schnell genug. Das war los und stop, richtig? Verdammt schnell.«
Zwei oder drei Atemzüge später hatte Florian erwidert: »Das war gut, Sera. Aber Sie sollten uns nicht so erschrecken.«
Sie hatte gelacht. Und Florian und Catlin die Hände getätschelt, wobei Catlin ganz ruhig und aufmerksam war, so wie immer, wenn sie sich im Alarmzustand befand. »Ihr seid mein Personal. Ihr habt auf das zu hören, was ich sage. Nicht auf Denys. Nicht auf eure Instruktoren. Auf niemanden sonst.«
Als Florian also sagte: Wir werden ihn im Auge behalten, klang ein gefährlicher Unterton mit.
»Er ist mein Freund«, erinnerte sie ihn.
»Ja, Sera«, sagte Catlin. »Aber wir betrachten nichts als selbstverständlich.«
»Auf Feinde kann man sich viel leichter vorbereiten«, fügte Florian hinzu. »Feinde kommen nicht hier rein.« Die beiden hielten sie bei Vernunft. Sie gehörten zu dem, was sie von früher kannte, als sie noch Kinder waren, damals in Onkel Denys' Apartment.
»Hormone sind eine üble Sache«, sagte sie. »Sie wirken sich verheerend aufs Denken aus. Natürlich habt ihr recht. Tut, was ihr für nötig haltet.«
»Hormone, Sera?« fragte Florian.
Sie zuckte die Achseln, fühlte sich unwohl. Aber bei ihm war keine Eifersucht im Spiel. Nur Sorge. »Er sieht gut aus«, erklärte sie. »Das macht es wohl so schwierig, was? Aber ich bin auch nicht verrückt.«
Sie fühlte sich seltsam, nachdem sie es ausgesprochen hatte. Erschrocken. Und sie dachte an Zeiten, als in ihr viel weniger am Fließen gewesen war.
Dabei fiel ihr Nelly ein; und sie dachte, daß viel zuviel Zeit vergangen war, seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte; und sie traf sie am nächsten Morgen, eine etwas molligere Nelly, die sehr von ihren Pflichten in der Kinderstation beansprucht wurde.
Nelly hatte ein wenig Schwierigkeiten, sie wiederzuerkennen, als sei sie zu unmittelbar mit den Veränderungen konfrontiert oder als sei seit dem letzten Mal zuviel Zeit vergangen. »Junge Sera?« fragte sie und blinzelte einige Male. »Junge Sera?«
»Ich habe an dich gedacht«, sagte Ari. »Wie geht's dir? Bist du glücklich?«
»O ja. Ja, junge Sera.« Ein Säugling fing an zu weinen. Nelly warf ihm über die Schulter einen zerstreuten Blick zu. Jemand anders sah nach ihm. »Sie sind so groß geworden.«
»Das stimmt. Ich bin sechzehn, Nelly.«
»Ist das lang her?« Nelly blinzelte wieder und schüttelte den Kopf. »Sie waren mein erstes Baby.«
»Ich bin dein ältestes Kind. Darf ich dich zum Essen einladen, Nelly? Zieh deinen Mantel über, und geh mit mir essen, ja?«
»Nun, ich...« Nelly blickte zur Reihe der Wiegen zurück.
»Ich hab's mit deinem Aufseher besprochen. Er hat nichts dagegen. Komm.«
Es war sehr seltsam. In mancher Hinsicht war Nelly noch die alte, sehr auf ihr eigenes - und sehr auf Aris Äußeres bedacht. Nelly streckte eine Hand aus und richtete ihren Kragen, und Ari lächelte, obwohl sie zusammenzuckte, als müsse sie sich jemanden vom Hals halten, denn es gab im ganzen Universum niemanden mehr, der das gewagt hätte.
Aber noch bevor sie halb aufgegessen hatte, wußte sie, daß ihr kleiner hoffnungsvoller Gedanke von vorhin, Nelly ins Apartment mitzunehmen, nicht zu verwirklichen war.
Die arme Nelly würde nie begreifen, unter welchem Druck sie stand - und, bei Gott, gewiß auch nie, was sie mit der Bandbibliothek wollte.
Nelly war nur froh, eins ihrer Babies wiedergefunden zu haben. Und Ari machte sich eine Notiz, um dem Aufseher der Kinderstation mitzuteilen, daß Nelly ein Belohnungsband bekommen sollte: Das war das Beste, was sie für Nelly tun konnte - außer sie wissen zu lassen, daß es ihrem
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