Geklont

denn sonst machen? Was tun wir, wenn sie uns festnehmen und wegen einer aus den Fingern gesaugten Vergewaltigung anklagen - was passiert, wenn wir nach Reseunes Gesetz drüben in der Klinik im Gewahrsam landen? Dafür brauchen sie nur eine Aussage von ihr...«
    »Und du gehst rüber in ihr Apartment und redest mit ihr. Das ist doch nicht dein Ernst.«
    »Nicht in ihr Apartment. Ich glaube, das könnte ich nicht aushalten. Irgendwo anders werde ich sie treffen.«
     
    VI
     
    Justin trank einen Schluck Scotch, als der Kellner des Changes die drei an ihren Tisch brachte - Ari in einer eisgrünen Bluse mit metallisch grauer Perlenstickerei, Florian und Catlin in abendlichem Schwarz.
    Ein Abend im Changes war eine Gelegenheit, zu der man sich in Schale warf. Er und Grant hatten es auf sich genommen, ihre besten Sachen anzuziehen. Anzughemden und Jackets.
    »Danke«, sagte Ari, als der Kellner ihr den Stuhl zurückzog. »Wodka mit Orangensaft für uns drei, bitte.«
    »Ja, Sera«, murmelte der Kellner. »Wünschen Sie zu speisen?«
    »Später«, sagte Justin. »Wenn du erlaubst, Ari.«
    »Ist mir recht.« Sie machte es sich auf dem Stuhl bequem und verschränkte ihre Hände auf dem Tisch.
    »Danke, daß du gekommen bist«, begann Justin, sobald der Kellner gegangen war. »Ich muß mich für diesen Nachmittag entschuldigen. Für Grant und mich. Es war mein Fehler. Nicht deiner. Nicht im mindesten.«
    Ari rückte auf ihrem Platz hin und her, preßte die Lippen zu einer schmalen Linie aufeinander und sagte kein Wort.
    »Hat dein Onkel Denys dich angerufen?«
    »Hast du ihn denn angerufen?«
    »Nein. Ich glaube nicht, daß er hören will, was passiert ist. Ich weiß nicht, in welchem Ausmaß er dir etwas anhaben kann...«
    »Nur insofern er der Administrator ist«, erklärte Ari. »Er kann nichts gegen mich ausrichten.«
    »Das wußte ich nicht genau.« Er sah den Kellner mit den Drinks kommen und schwieg, während serviert wurde.
    Ari nippte an ihrem und seufzte. »Auf wessen Rechnung geht das?«
    »Auf meine«, erwiderte Justin. »Trink ruhig.« Als der Kellner sich diskret zurückzog. Es war eine intime Ecke, sehr intim: Der beträchtliche Aufschlag auf die Rechnung stellte das sicher. »Zuerst möchte ich dir versichern, daß ich ohne Abstriche bereit bin, weiterhin mit dir zu arbeiten. Ich muß dir gestehen, daß deine Arbeiten noch voller Probleme stecken. Aber es ist keine sinnlose Übung, sich mit ihnen zu beschäftigen. Du hast einige Ideen, die im Moment noch recht unausgereift sind. Ich weiß noch immer nicht, in welchem Ausmaß du das der Realität - oder den Aufzeichnungen deiner Vorgängerin entlehnt hast. Auch wenn es sich in nennenswertem Ausmaß auf vorhandenes Material stützt - wäre es bemerkenswert genug, daß ein so junger Mensch überhaupt solche Integrationen zustandebringt. Wenn irgendein Teil davon auf deinen eigenen Gedankengängen beruht - muß ich gestehen, daß ich beeindruckt bin; denn es steckt etwas drin, das ich, wenn ich schneller vorankäme und nicht Zeit damit verwenden würde, dir deine Probleme zu erläutern, in die Forschung einbeziehen würde, weil ich glaube, daß es ein hilfreiches Modell ist.«
    »Das kannst du machen, wenn du magst.« Kein bißchen gehässig. Sondern vernünftig. Ruhig.
    »Vielleicht werde ich beides tun. Mit deiner Erlaubnis. Ich fürchte nämlich, daß es geheim ist.«
    »Grant könnte es machen.«
    »Könnte er. Mit deiner Erlaubnis. Und Yannis. Wir arbeiten für ihn.«
    »Weil ihr euch nicht versetzen lassen wollt. Ich kann's immer noch machen.«
    Das hatte er nicht erwartet. Er trank etwas Scotch. Und war sich Grant an seiner Seite bewußt, der jeden Fehler ausbaden würde, den er machte. »Ich hätte nicht gedacht«, sagte er, »daß du das nach der Szene heute nachmittag in Erwägung ziehst.«
    Das Thema wechseln. Eine andere Richtung einschlagen.
    Sie nippte an ihrem Wodka mit Orangensaft. Sechzehn Jahre alt und so zerbrechlich - physiologisch gesehen. Mit Gefühlen, die der Alkohol betäuben oder aufputschen konnte. Denken im Flux in seiner reinsten Ausprägung, war Grant versucht zu sagen. Die Pubertät; Hormone, die verrückt spielten, und Äthylalkohol.
    O Gott, Kind, halt dich zurück! Du tust mir keinen .Gefallen damit.
    Macht. Politische Macht, die noch immer in Schockwellen die Union durcheilte; angedrohte Anschläge. Und der ganze Stress, von dem das begleitet wurde.
    »Ich bin froh, daß du darüber reden möchtest«, sagte Ari nach einem leichten