Geklont
Corain. »Seien Sie bloß um Gottes willen vorsichtig. Ich möchte nicht, daß irgendwelche Spuren aufs Amt hindeuten, haben Sie verstanden?«
VIII
»Ich hatte das gar nicht vor«, erklärte Justin und warf den Koi ein Stück Brot zu. Diesmal schoß der Goldene an die Oberfläche und erwischte es, während der Weiße unter einem Lotosbüschel lauerte. »Ich hatte es nicht geplant. Es lag nur daran, daß sie kurz davor war, das mit dem Band herauszufinden, stimmt doch, oder? Eines Tages. Dann besser jetzt - solange sie noch naiv genug ist, um schockiert zu sein. Gott hilf uns - wenn's sich anders verhält.«
»Ich fühle mich viel sicherer«, sagte Grant, »seit du dich dazu entschlossen hast.«
»Ich nicht, verdammt, ich hatte kein Recht, das ohne Warnung zu tun - aber ich war in die Enge gedrängt, es lag an dem Augenblick - es war die einzige Gelegenheit, die andere Situation klarzustellen...«
»Wegen dem Band?«
»Siehst du, du verstehst mich.«
»Ich verstehe nur, daß wir es mit der aggressivsten Persönlichkeit zu tun haben, der ich je begegnet bin. Nicht einmal Winfield und seine Leute haben einen derartigen Eindruck bei mir hinterlassen. Um dir die Wahrheit zu sagen: Ich habe mich früher schon gefürchtet. Vor Winfield zum Beispiel. Oder den Sicherheitskräften, die mich dort rausgeholt haben - ich habe gedacht, sie würden mich vielleicht umbringen, weil so ihre Befehle lauten mochten. Ich habe zu analysieren versucht, wie ich die Situation erlebte, als ich das Büro betrat, das Fließen war in mir in diesem Moment so extrem... ich kann's nicht genau beschreiben. Ich weiß nur, daß dieses Mädchen etwas ... so Gewalttätiges an sich hatte... daß es mir schwerfiel, ohne Fließen zu reagieren.« Grants Stimme war klinisch, kühl, weich und präzise, so wie immer, wenn er vernünftig nachdachte. »Aber in diesem Moment mag mein Eindruck etwas mit meinem eigenen Adrenalinspiegel zu tun gehabt haben - und der Tatsache, daß das Mädchen nun einmal eine Aufseherin ist. Vielleicht habe ich mich über die Ebene geirrt, über die ich wahrgenommen habe.«
»Nein. Du hast ganz recht. Ich habe versucht, mir ein bestimmtes Bild von ihr zu machen ... insgeheim. Ebenso wie es ihre Vorgängerin mit mir tat. Die Auswahl, die sie in ihrem Modell trifft, die Dinge, die sie tun würde, wenn sie an dem Gehenna-Szenario beteiligt wäre - sie ist ungeheuer aggressiv und auf ihren eigenen Schutz bedacht. Ich habe ihre Verhaltens-Phasen graphisch dargestellt - den Menstruations-Zyklus, die Hormonschübe -, und ich kann allenfalls vermuten, daß sie momentan durch die Hormone völlig ins Fließen geraten ist; ich habe mir die Tabellen und Graphiken immer mit ihr gemeinsam angesehen. Aber das erklärt nicht alles.« Er brach noch ein Stück Brot ab und warf es dahin, wo der gefleckte Koi es erwischen konnte. »Zumindest hätte das bei ihrer Vorgängerin nicht alles erklärt. Ihr Verstand ist brillant. Wenn er ins Fließen gerät, verfallen die analogen Funktionen in wilde Spekulationen - und die Unterseite des Fließens integriert höllisch. Ich hab's beobachtet. Mehr noch, sie hat die ganze Flux-Matrix-Theorie selbst entwickelt; meinst du, sie verstünde ihre Zyklen nicht? Und benutzte sie gleichzeitig? Die junge Ari aber hat mir etwas begreiflich gemacht, das ich hätte sehen müssen - daß wir andere Menschen mit einer Präzision behandeln, an der es uns selbst mangelt... Ari hat Schwierigkeiten mit Ego-Definitionen. Bei einem PR ist das die Regel, das weiß ich nur zu gut; und es kann nur schlimmer werden für sie. Deshalb habe ich um die Versetzung gebeten.«
»Um sie an uns zu binden?«
Er atmete einige Male tief durch. Blinzelte rasch, um das Gesicht der älteren Ari zu vertreiben, die Erinnerung an ihre Hände auf ihm.
»Sie ist jetzt verwundbar«, brachte er mühsam hervor. »Sie sucht nach einem Zeichen der menschlichen Rasse - auf dem Niveau, auf dem sie lebt. Diesen Eindruck habe ich gewonnen - daß sie in diesem Augenblick so offen war wie ich - damals. Deshalb habe ich mir die momentane Bande zunutze gemacht. Das waren meine Gedanken. Weil sie derart auf ihren Schutz bedacht ist, gab es vielleicht nur diese eine Gelegenheit in diesem Moment - in diesen zwei Sekunden.« Er schauderte, ein kleines, unwillkürliches Zucken im Nacken. »Gott, ich hasse Echtzeit-Arbeit.«
»Nur weil du sie haßt«, meinte Grant, »bedeutet das nicht, daß du nicht gut darin warst. Ich sage dir, was diese Azi
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