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Geklont

Geklont

Titel: Geklont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Hauptmann.«
    Stern sah ihn an - ein schwergewichtiger, grimmiger Mann mit dem Funkeln von Intelligenz in den Augen. Genug Intelligenz, um zu wissen, daß Reseune seine Geheimnisse verschlucken würde.
    Und daß, weil Reseune Freunde in den hohen Rängen des Amtes für Innere Angelegenheiten hatte, sowohl eine Beförderung als auch ernste Schwierigkeiten einer Entscheidung folgen konnten.
    »Ich glaube«, sagte Stern, »ich sollte besser mit Warrick reden.« Es war ein Fingerzeig, daß er auf Gespräche unter vier Augen auswich. Girauds erster Impuls war, ihm zu folgen und zu vertuschen, was vertuscht werden mußte. Sein zweiter war echte Panik, eine plötzliche Einsicht in die Katastrophe, die Reseune und all ihre Pläne heimgesucht hatte, die Tatsache, daß das Gehirn, das so aktiv gewesen war, so viele Geheimnisse bewahrte - nichts anderes mehr war als ein Klumpen Eis. Der Körper ließ sich in diesem gefrorenen Zustand unmöglich auf eine irgendwie würdige Weise transportieren. Selbst dieses simple Erfordernis geriet zu einem grotesken Schlamassel.
    Und Corain... Die Nachrichtendienste werden diese Sache noch vor morgen früh melden.
    Was, zum Teufel, sollen wir machen? Was sollen wir jetzt bloß machen?
    Ari, verdammt noch mal, was sollen wir machen?
    Florian wartete, saß auf einer Bank im Wartezimmer im Westflügel der Klinik. Er stützte seine Ellbogen auf die Knie, den Kopf auf die Hände und weinte, weil es nichts mehr zu tun gab, die Polizei Jordan in Untersuchungshaft genommen hatte und sie ihn nicht in Aris Nähe lassen würden, seit dieser eine schreckliche Blick ihn hatte begreifen lassen, daß es stimmte. Sie war tot. Und die Welt war anders als je zuvor. Die Befehle kamen von Giraude Nye: sich fürs Band melden.
    Er verstand das. Sich beim Aufseher melden, hatte die Regel gelautet seit der Zeit, als er klein war; es gab Bänder, um Schmerzen zu lindern, und Bänder, die Zweifel beseitigten - Bänder, die die Welt erklärten und die Gesetze und ihre Regeln.
    Aber am Morgen würde Ari immer noch tot sein, und er wußte nicht, ob sie ihm irgend etwas sagen konnten, damit er es begriff.
    Er hätte Warrick umgebracht. Er würde es immer noch tun, wenn er die Wahl gehabt hätte; aber er hatte nur das Stück Papier, den Bandbefehl, der ihn als Tröstung für einen Azi hierher schickte; und er hatte sich nie so allein oder hilflos gefühlt, jede Anweisung nichtig, jede Pflicht einfach - verschwunden.
    Jemand kam durch den Flur und trat leise ein. Er blickte auf, als Catlin hereinkam, so viel ruhiger als er - immer ruhig, ganz gleich, in welcher Krise sie steckten, und selbst jetzt...
    Er stand auf, legte seine Arme um sie und hielt sie so fest, wie sie in so vielen Jahren zusammen geschlafen hatten, daß er sie nicht mitgezählt hatte, in guten und in schrecklichen Zeiten.
    Er lehnte seinen Kopf an ihre Schulter. Spürte ihre Arme um sich. Das war viel wert, wenn eine solche Leere aufkam. »Ich habe sie gesehen«, sagte er; aber es war eine Erinnerung, die er nicht ertragen konnte. »Cat, was sollen wir jetzt tun?«
    »Wir sind hier. Das ist alles, was wir tun können. Es gibt keinen anderen Platz für uns.«
    »Ich brauche das Band. Es tut so weh. Cat. Ich will, daß es aufhört.«
    Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und sah ihm in die Augen. Ihre waren blau und blaß wie bei niemand anderem, den er kannte. In Cat steckte immer ein nüchterner Verstand. Für einen Augenblick erschreckte sie ihn, weil dieser Starrblick so düster war, als ob es überhaupt keine Hoffnung gäbe.
    »Es wird aufhören«, sagte sie und hielt ihn fest. »Es wird aufhören, Florian. Es wird verschwinden. Hast du auf mich gewartet? Komm, gehen wir hinein. Gehen wir schlafen, ja? Dann wird's nicht mehr weh tun.«
     
    Schritte näherten sich der Tür, aber alle paar Minuten gingen Leute hin und her, und Justin hatte sich heiser geschrien, gegen die kalte Betonwand niedergesetzt und sich zu einem kleinen Bündel zusammengekauert, bis er hörte, daß die Tür aufgeschlossen wurde.
    Dann versuchte er auf die Beine zu kommen, richtete sich schwankend an der Wand auf und hielt seine Balance, als zwei Sicherheitswachen zu ihm hereinkamen.
    Er wehrte sich nicht gegen sie. Er sagte kein Wort, bis sie ihn zurück in ein Zimmer mit einem Schreibtisch brachten.
    Hinter dem Giraud Nye saß.
    »Giraud«, brachte er heiser hervor und sank in den bereitstehenden Stuhl mit der runden Rückenlehne. »Um Gottes willen - was geht hier vor? Was machen

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