Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
ich jetzt schon flach. Noch ein Tritt, aber weit daneben diesmal. Ich versuchte, den Fuß zu packen, aber Dodo war zu schnell für mich. Zu schnell und zu erfahren. Ich hatte Dodo von Anfang an unterschätzt, in jeder Hinsicht: seinen Verstand, seinen Einfluss, seine Bösartigkeit und seine Körperkraft.
Als ich mich aufrichtete, tat mir jeder Knochen im Leibe weh. Ich wich vor Dodo zurück und spürte hinter mir den Flügel. Die Stütze konnte ich gut brauchen, und ich lehnte mich einen Augenblick lang dagegen und wartete auf Dodos nächste Bewegung. Das Licht, das die Noten auf dem Klavier beleuchtete, blendete Dodo. Seine Schläge und Tritte hatten auch ihn ein wenig außer Atem gebracht, aber er wollte mir keine Gelegenheit geben, mich zu erholen. Er ging also wieder auf mich los, langsamer diesmal, breitbeinig, die Hände erhoben. Ich holte tief Luft. Wenn er richtig traf, konnte er mich mit ein paar von diesen Karateschlägen aus dem Verkehr ziehen, soviel war klar. »Gaaah!« schrie er plötzlich und sprang mich an. Oder war das nur eine Finte, um zu entdecken, wie ich reagierte? Ich ging ein bisschen in die Knie und trat nach seinem Bauch, traf aber ins Leere. Immerhin ließ die Drohung ihn zögern. Dann senkte er den Kopf, und sein nächster Schlag traf meinen Arm, so dass der Schmerz mir für einen Augenblick die Hand lähmte. Aber dann griff ich an. Ein Nierenhaken entriss ihm ein zorniges Grunzen, ich hatte ihm weh getan. Einen Augenblick standen wir im Clinch wie Partner auf dem Tanzboden, dann stieß er sich von mir ab und hämmerte mir dabei auf die Brust.
Er wich so weit zurück, dass er in den Schatten des spärlich beleuchteten Raums fast verschwand. Schwer atmend belauerten wir einander nun aus der Ferne. Mit dem Überraschungselement konnte er nicht mehr rechnen, und außerdem durchschaute ich ihn langsam. Dodo war kein Boxer. Wenn ich ihn in die Finger kriegte, konnte ich ihn bewusstlos schlagen. Aber das war ein großes Wenn. Von der Straße war jetzt das Geräusch eines langsam fahrenden Wagens zu hören. Dodo neigte lauschend den Kopf, aber ein oder zwei Augenblicke später gab der Fahrer Gas, und das Geräusch des Wagens verlor sich in der Ferne.
Klick! Plötzlich hatte er sein Klappmesser in der Hand, und als er langsam näher kam, blitzte die Klinge im Licht auf. Er hielt es niedrig mit aufwärts weisender Spitze, wie ein Mann ein Messer hält, wenn er es ernst meint. »Ich werd’s dir zeigen, Samson«, versprach er mit jenem leisen Knurren in der Stimme, das seine besonders bösartigen Äußerungen jedesmal begleitete. »Ich werde dich aufschlitzen!« Sein Gesicht war gerötet, und Speichel triefte aus seinem Mund.
Ich schob mich seitwärts. Die Rückendeckung, die der Flügel mir gewährt hatte, wurde jetzt zur Falle. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich aufspießen zu lassen. Ich zog mir den Schal vom Hals und wickelte ihn mir um die Hand. Dabei schob ich mich weiter seitwärts. Aus den Augenwinkeln fixierte ich das größte Stück Nippes in meiner Reichweite, eine große Kristallananas mit silbernen Blättern. Die packte ich und schmiss sie ihm mit aller Kraft vor die Brust. Er grunzte und taumelte zurück, wobei er ein Tischchen umstieß und etwa ein Dutzend Porzellanfiguren zu Boden fielen. Aber ich bekam nicht die Chance, auf die ich gehofft hatte. Dodo fluchte leise auf ungarisch und fand sein Gleichgewicht wieder, ohne sich umzudrehen und nachzusehen, was er angerichtet hatte.
Als er wieder auf mich losging, versuchte ich gerade, die altmodischen Jalousien vor den Fenstertüren aufzukriegen, durch die man in den Garten gelangt wäre. Ich drehte mich nach ihm um und trat hoch genug, um die Hand mit dem Messer zu treffen, aber er war auf den Tritt gefasst und wich ihm aus, zufrieden lächelnd.
Wieder rückte er mir auf den Leib. Mein Rücken krachte gegen die Jalousie, und dahinter zersprang eine Glasscheibe mit dem Krach eines Pistolenschusses. Dodos Messer zerschlitzte mir den Mantel. Ich griff nach seinem Handgelenk und kriegte es einen Augenblick lang auch zu fassen. Wir standen auf Tuchfühlung. Er stank nach Whisky. Er wand sich mit aller Macht, um freizukommen, und verzweifelt stieß ich mit dem Kopf zu, ihm mitten ins Gesicht. »Bastard!« rief er, riss sich los und wich zurück. Ein kleiner roter Wurm kroch ihm aus der Nase über Mund und Kinn. »Bastard!« wiederholte er. Er nahm das Schnappmesser in die Linke und griff unter sein Jackett. Nun hatte er einen Revolver

Weitere Kostenlose Bücher