Geködert
eigensinnige und snobistische Frau sich mit einem Zimmer im Obergeschoss von Lisls Hotel abfinden würde, nicht einmal mit der Suite mit dem neuen Badezimmer, auf die Lisl so stolz war.
»Für Zena ist das schwer zu verstehen«, sagte Werner.
»Kann ich mir denken.«
»Zena sagt, dass sie Lisl nichts schuldet, und in gewisser Hinsicht hat sie da natürlich recht«, sagte er traurig.
»›… und verspreche dir die Treue in guten und in bösen Tagen …‹ Oder gilt das nicht mehr seit der Emanzipation?«
»Ich wünschte, du könntest Zena besser kennenlernen. Sie ist nicht egoistisch. Nicht so egoistisch, wie du denkst«, differenzierte er, als ihm klar wurde, was er da behauptete.
»Was wird Zena also machen?«
»Sie wird die Wohnung in Dahlem behalten. Ich meine, aufgeben können wir die ja nicht, selbst wenn wir wollten, wegen der vielen Möbel. Zu Lisl können wir die ja schlecht mitnehmen, oder?«
»Jedenfalls wird sich dein Leben ganz schön verändern, Werner.« Er gab sein Geschäft auf, seine luxuriöse Wohnung und allem Anschein nach auch seine Frau. Sie hatte ihn schon des öfteren verlassen. Zenas Treue war nicht von der Sorte, die Dichter in Sonetten besangen – eher in Limericks. Wahrscheinlich war sie mir deswegen so zuwider.
»Es gibt keine andere Möglichkeit, Bernie. Wenn ich Lisl nicht wenigstens diesen Gefallen täte, würde mir mein Gewissen keine ruhige Minute mehr lassen.«
Ich sah ihn an. Werner war ein guter Mensch. Vielleicht der einzig wirklich gute Mensch, den ich kannte. Was konnte ich also sagen außer: »Du hast recht. Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Vielleicht läuft es ja auch sehr gut.« Werner versuchte verzweifelt, das Beste daraus zu machen. »Wenn mehr Touristen kämen, könnte ich den Bankkredit zurückzahlen. Ich werde versuchen, mit ein paar Reisebüros ins Geschäft zu kommen.«
Er schien es ernst zu meinen. Als wüßte er nicht, dass Reiseveranstalter nur billige, trübselige Schuhkartons mit mindestens zweihundert Betten unter der Leitung von sechzehnjährigen Schulaussteigern wollten, die keine bekannte Sprache sprechen! Was soll ein Reisebüro mit einem kleinen, behaglichen, von Menschen geführten Hotel anfangen? »Sehr gute Idee, Werner«, erwiderte ich.
»Natürlich kann ich mein Geschäft nicht von heute auf morgen aufgeben«, sagte er. »Ein paar Sachen sind noch in der Abwicklung.«
»Wie oft fährst du noch rüber?« fragte ich. Werners Geschäfte führten ihn regelmäßig nach Ost-Berlin zu Verhandlungen mit den dortigen Behörden. Ich fragte ihn nicht, ob er noch immer unseren Leuten in Franks Büro Bericht erstattete. Je weniger ich davon wusste, desto besser.
»Nicht mehr so oft. Heute kann man die meisten Vorverhandlungen schon am Telefon erledigen.«
»Wird es also besser?«
»Besser nicht. Anders. Die haben inzwischen gelernt, ihr Image besser zu pflegen und nichts mehr zuzugeben, was die westliche Presse aufregen würde.« Das war ein hartes Urteil, um so mehr, als Werner auch in seinen spontanen Äußerungen über die DDR stets um Objektivität bemüht war.
»Wie geht’s der Normannenstraße heute?«
»Blendend«, sagte Werner.
»Inwiefern?«
»Die Ostdeutschen sind heute Nummer eins auf der Moskauer Hitparade. Prag ist nicht mehr die Hochburg der sowjetischen Westspionage, und unsere Freunde in der Normannenstraße lachen sich ins Fäustchen.«
»Beim Stasi soll eine große Umorganisation im Gange sein.«
»Die alten Kämpfer werden einer nach dem anderen aus dem Verkehr gezogen. Auch die Verwaltung wird ausgedünnt. Die Organisation ist heute kleiner und besser.«
»Soso.«
»Natürlich werden alle Operationen vom KGB überwacht. Wenn irgendwas nicht richtig läuft, kriegt die Normannenstraßc Moskaus Missvergnügen zu spüren.«
»Hast du je wieder von diesem Erich Stinnes gehört?«
»Er ist jetzt Verbindungsmann zum KGB. Hat einen sehr einflussreichen Posten gekriegt.«
»Stinnes?«
»Der KGB expandiert. Denen ist der Etat nicht gekürzt worden. Und die Amerikaner operieren immer noch von ihren Botschaften aus, und natürlich stecken alle amerikanischen Botschaften vom Dach bis zum Keller voller Wanzen. Sie werden’s nie lernen.«
»Hat meine Frau was zu tun mit dieser Umstrukturierung?« fragte ich.
»Ich dachte, davon reden wir«, sagte Werner. »Sie hat dir doch damals bei diesem ›Strukturbericht‹ geholfen, nicht?«
Ich antwortete nicht. Seit Ewigkeiten waren viele der Meinung, dass unsere Dienste unabhängig von den Botschaften und
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