Geködert
liebte
Kaviar.
Wäre ich mit Fiona bis Heathrow gekommen, ohne dass sie
gemerkt hätte, dass wir uns nicht auf verrückte, romantische
Abwege begaben? Nein. Aber das lag daran, dass man meine
Frau Fiona mit romantischen Eskapaden nur in sehr, sehr
beschränktem Maße reizen konnte. Moment mal! Stimmte das?
Der wahre Grund, weshalb ich Fiona niemals vorgeschwindelt
hätte, dass wir beide uns unbedingt mal ein paar schöne Tage
im Süden machen müssten, war, dass sie mir nie geglaubt
hätte, eine plötzliche Einladung, mit nach Nizza zu fliegen, sei eine romantische Eskapade. Meine Frau Fiona kannte mich zu
gut. Das war der Grund.
In Nizza jedoch schien die Sonne, und es bedurfte keiner
besonderen Ereignisse, Glorias gewöhnlich gute Laune
wiederherzustellen. Was sich abspielte, als ich einen
Leihwagen nahm, war völlig ausreichend. Gloria hatte mich im
Büro fließend deutsch sprechen und diktieren hören, auch mein
mäßiges Russisch war ihr vertraut, und so war sie auf mein
stockendes Französisch nicht gefasst.
Es lief von Anfang an schief. Die wunderschön frisierte
junge Französin hinter der Theke der Autoverleihfirma war
verständlicherweise etwas irritiert, als ich versuchte, in die
private Unterhaltung, die sie mit ihrer Kollegin führte, meine
Autowünsche einzuflechten. Sie ließ mich die Irritation spüren.
Sie sprach schnell und mit starkem provenzalischem Akzent,
so dass ich ihr nicht folgen konnte.
Als ich mich endlich hilfesuchend an Gloria wandte und sie
bat, die heruntergeratterten Hinweise, wo wir das Auto finden
würden, zu übersetzen, war Gloria außer sich vor Freude. »Nix
compri, was?« rief sie lachend und klatschte in die Hände. Trotz Glorias unkooperativem Verhalten entdeckten wir das
Auto schließlich. Es war ein kleiner weißer RenaultKombiwagen, der schon viele Wintertage auf dem Parkplatz
der Autoverleihfirma verbracht haben musste, denn er sprang
nicht leicht an. Aber als wir dann auf der Autobahn nach
Westen fuhren, war die Welt wieder in Ordnung. Gloria lachte
und überzeugte mich irgendwann davon, dass alles sehr
amüsant gewesen sei.
Bis zur Ausfahrt nach Antibes waren wir nur ein paar
Minuten unterwegs. Um Glorias Amüsement nicht schon
wieder neue Nahrung zu geben, hielt ich für den Kassierer an
der Ausfahrt eine Handvoll Wechselgeld bereit. Nun
schlängelten wir uns durch das Landstraßengewirr Richtung
Grasse, Gloria immer mit der Nase auf der Landkarte. Wenn man einmal die Autobahn verläßt, entdeckt man ein
ganz anderes Frankreich. Hier in dieser hügeligen, abgelegenen
Gegend findet man von dem protzigen Reichtum der Cote
d’Azur keine Spur. Anstatt der Rolls-Royces, Cadillacs und
Ferraris holperten hier buntbemalte Citroën-Lieferwagen und
antiquierte Ladas über die ausgefahrenen Straßen, in deren
Schlaglöchern vom Winterdauerregen ockerfarbene Pfützen
standen. Die ganze Gegend wirkte seltsam unfertig. Halbfertige
Neubauten, oft nur das graue Betonskelett mit den Drahtgittern,
standen neben halb verfallenen alten Bauernhäusern. Leitern,
angeschlagene Bidets und ausrangierte Badewannen
begrenzten die Olivenhaine. Sandhaufen, von den
Regenstürmen ausgewaschen, lagen neben Ziegeln, verzinkten
Blechplatten und halb aufgebauten Gerüsten. Wo der Bauer
entdeckt hat, dass nichts lohnender ist als der Anbau von
Ferienwohnungen, läßt der Dreck der Großstädte nicht lange
auf sich warten.
Doch »Le Mas des Vignes Blanches« war keines dieser
Zweithäuser. Es stand auf einem südwärts gelegenen
Hügelvorsprung, und einst hatte der glückliche Besitzer von
diesem Haus aus sicher den Ausblick auf seine Weinberge
genossen. Jetzt waren die Hügel von den Auswüchsen der
zunehmenden Besiedlung entstellt, einer Krankheit, die nur
noch bösartiger wirkte durch den blaßblauen Meereshorizont
über der nächsten Hügelkette.
Eine Buchsbaumhecke umgab das Haus, doch das hölzerne
weiße Gartentor war offen, und so fuhr ich in die kiesbestreute
Einfahrt. Das Hauptgebäude war sicherlich mindestens hundert
Jahre alt. Es war in provenzalischem Stil errichtet,
zweigeschossig mit geschlossenen Fensterläden, von
Weinreben umsponnen, mit Palmen, deren Wedel im Wind
schlugen, neben der Haustür und einem üppig wuchernden
Kaktus, der bedrohlich aussah wie eine riesige Meereskrake. Hinter dem Haus bemerkte ich einen mit Katzenköpfen
gepflasterten Hof, der für diese Gegend ungewöhnlich blank
geschrubbt war. Aus der Garage ragten die Hecks eines großen
Mercedes und eines blaßblauen
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