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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Beruhigung meines Gewissens als aus der Überzeugung, es würde irgend etwas dabei herauskommen.
Vielleicht verstand Werner meine Beweggründe. Jedenfalls sagte er: »Das wäre wirklich sinnvoll, Bernie. Wenn du diese Schwester aufspüren könntest, wäre das wichtigste Problem gelöst. Ich habe ihre letzte Adresse in Frankreich. Sie steht in dem grünen Adreßbuch in Lisls Büro. Ob sie da noch wohnt, weiß ich natürlich nicht.« Er sah zur Theke hinüber, wo Willi die verchromte Espressomaschine bedient hatte, und sagte: »Willi bringt den Kuchen.«
»Wird ja wohl auch Zeit.«
»Er wird sich ein bisschen zu uns setzen wollen«, sagte Werner warnend. »Bitte sag einstweilen nichts von dem Hotel. Ich ruf dich an wegen der Adresse der Schwester.«
»Laß dir ein, zwei Tage Zeit zum Überlegen«, schlug ich vor. Willi kam mit dem Nachtisch und dem Kaffee auf uns zu. »Es ist schließlich ’ne schwerwiegende Entscheidung.«
»Ich hab’s mir überlegt«, sagte Werner mit fester Stimme, in der nur ganz fern Trauer anklang. »Ich weiß, was ich zu tun habe.« Frankreich, dachte ich. Warum muss ich solche blöden Versprechungen machen? Woher soll ich die Zeit nehmen, in Frankreich einer alten Frau nachzuspüren, die zweifellos schon lange tot und begraben ist? Als ob mir eine Lisl im Leben noch nicht genug wäre.

7
»Wir hätten einen Mikrowellenherd kaufen können«, sagte
    Gloria plötzlich und spontan.
»Ist es das, was du willst? Einen Mikrowellenherd?« »Mit dem Geld, das uns dieser verdammte Flug kostet«,
    erklärte sie in bitterem Ton.
»Ach so«, sagte ich. »Natürlich.« Sie machte im Kopf eine
Liste. Das tat sie gelegentlich. Und je länger die Liste, desto
erbitterter wurde ihr Hass auf die Luftfahrtgesellschaft und
deren Leitung. Zum Glück der Direktoren der
Luftfahrtgesellschaft saß auf dem Flug von London nach Nizza
keiner neben ihr. Dort saß ich. »Der reine Betrug«, sagte sie. »Das weiß doch jeder«, sagte ich. »Trink also den guten,
warmen café , pack den homogenisierten fromage aus, und
genieße die ambiance .«
Die Plexiglasfenster waren zerkratzt, so dass die dicken,
grauen Wolken draußen schraffiert aussahen. Gloria antwortete
nicht und aß auch nicht, was auf dem winzigen
Kunststofftablett vor ihr aufgebaut war. Sie holte ihren
Nagellack aus der großen Handtasche, die sie überall
mitschleppte, und begann, sich mit ihren Fingernägeln zu
beschäftigen. Das war immer ein schlechtes Zeichen.
Ich nehme an, ich hätte ihr von vornherein sagen sollen,
dass wir diese Reise machten, weil ich versprochen hatte, Lisl
Hennigs Schwester aufzuspüren. Ich hätte wissen können, dass
Gloria wütend sein würde, wenn die Wahrheit ans Licht kam,
und dass ich sie ihr eher früher als später sowieso würde sagen
müssen. Rückblickend weiß ich nicht, weshalb ich mich
entschloss, ausgerechnet in der Abflughalle mit der Wahrheit
herauszurücken. Gloria war bitter enttäuscht, als sie erfuhr,
dass es sich bei der bevorstehenden Reise nicht – wie ich sie
hatte glauben lassen – um ein »heißes Liebeswochenende«
handelte. Sie beschimpfte mich, und zwar so laut, dass die Leute, die neben uns saßen, ihre Kinder außer Hörweite
brachten.
In solchen Augenblicken versuchte ich stets, das Wesen
meines Verhältnisses zu Gloria zu ergründen. Meine
Altersgenossen, verheiratete Männer in den Vierzigern, hielten
mit ihren Analysen meiner Romanze mit dieser
zweiundzwanzigjährigen Schönheit nicht hinter dem Berg.
Manchmal in Form von ernsthaften »Gesprächen«, manchmal
mit Anekdoten über irgendwelche angeblichen Freunde,
manchmal nur mit schmutzigen Witzen. Merkwürdigerweise
fand ich die neidvollen Bemerkungen am beleidigendsten. Ich
wünschte, die Leute würden versuchen zu verstehen, dass
solche Beziehungen komplex sind, und dass meine zu Gloria
noch komplexer war als die meisten anderen.
Jetzt im Flugzeug, wo ich nichts zu arbeiten und außer dem
Flight Magazine nichts zu lesen hatte, dachte ich angestrengt
darüber nach. Ich versuchte, diese Beziehung zu Gloria mit der
zu vergleichen, die ich mit Fiona hatte, meiner Frau, die bald
vierzig werden würde. Sie hatte immer gesagt, dass sie sich vor
ihrem vierzigsten Geburtstag fürchtete. Diese »Furcht« war
anfangs ein Spaß gewesen, und ich hatte ihr jedesmal
versprochen, dass wir diesen Tag in ganz großem Stil feiern
würden. Aber jetzt würde sie ihn ohne mich feiern, in OstBerlin, mit russischem Sekt und wohl auch Kaviar. Fiona

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