Geködert
sammelten. Dodo war also einmal Geheimagent gewesen.
»Hat Dodo irgendwann mal für deinen Vater gearbeitet?« fragte ich sie.
»In Ungarn?«
Ich nickte.
»Nachrichtendienstlich?«
Dass sie um den heißen Brei herumredete, konnte man ihr wirklich nicht nachsagen. »Nicht, dass ich wüßte.« Sie nahm mir das Foto aus der Hand. »Ist das ein Team?«
»Das ist der Amerikaner, der lange Koby«, sagte ich.
Sie betrachtete das Foto jetzt mit neuem Interesse. »Er ist viel älter als die anderen. Er lebt noch, nicht wahr?«
»Er wohnt in Berlin. Ich treffe ihn dort manchmal. Mein Vater verabscheute den Langen. Aber der Lange war in Ordnung.«
»Wieso?«
»Er verabscheute all diese Amerikaner, die für den Langen arbeiteten. Er sagte immer: ›Deutschamerikaner sind amerikanische Deutsche‹. Er hatte schwere Vorurteile gegen sie.«
»Ich habe dich noch nie deinen Vater kritisieren hören«, bemerkte Gloria.
»Vielleicht hatte er seine Gründe«, sagte ich abwehrend. »Gehen wir.«
»Bist du sicher, dass mit Dodo alles in Ordnung ist?«
»Dodo fehlt nichts«, sagte ich. »Du magst ihn doch, nicht?«
»Ja«, sagte ich.
Bei dieser ersten Begegnung mochte ich ihn wirklich. Ich muss verrückt gewesen sein.
10
»Ich finde, es ist alles sehr gut gelaufen«, sagte Dicky Cruyer mit einem Anflug von bescheidenem Stolz. Er trug Erläuterungstafeln, die er jetzt zu Boden setzte und gegen ein Bein seines schönen Rosenholztisches lehnte.
Ich war auf dem Weg in sein Zimmer noch damit beschäftigt, die Notizen zu entziffern, die ich mir während der üblichen Dienstagvormittagszankerei, mit gegenseitigen Kundgebungen der Entrüstung und Empörung, gemacht hatte. Dicky hatte also nicht meine ungeteilte Aufmerksamkeit, und so etwas entging ihm nie. Ich blickte auf und brummte etwas.
»Ich habe gesagt«, wiederholte Dicky langsam, nachdem er mich mit einem gutmütigen Lächeln bedacht hatte, »dass meines Erachtens alles sehr gut gelaufen ist.« Ich muss verblüfft ausgesehen haben. »Ich meine, die Abteilungsbesprechung.« Er klopfte an das Messingbarometer, das seit einiger Zeit das Zubehör seines Arbeitsplatzes vervollständigte. Oder vielleicht klopfte er auch nach der Temperatur oder der Tageszeit in New York City, was weiß ich.
»O ja«, sagte ich, »wirklich sehr gut.«
Aber warum hätte diese Besprechung auch nicht zu seiner Zufriedenheit verlaufen sollen? Was Dicky Cruyer, mein unmittelbarer Vorgesetzter, eine »Abteilungsbesprechung« nannte, fand jeden Dienstagvormittag in einem der Konferenzräume statt. Einst hielten wir diese Besprechungen in Dickys Büro ab, aber seitdem war das Reich des Leiters der Deutschland-Abteilung erheblich gewachsen. Wir brauchten jetzt einen größeren Raum, da Dicky inzwischen an den Dienstagvormittagen die Vorträge probte, die er den hohen Tieren im Außenministerium zu halten gedachte. Normalerweise war das ein Wirrwarr von in letzter Minute zusammengestückelten Schreibtischinventionen, aber heute hatte Dicky Satellitenfotos dazugenommen und hübsche, bunte graphische Darstellungen, die er in unserer neuen »Kunstabteilung« hatte anfertigen lassen. Ein »Vorführer« bediente den Lichtbildprojektor, Dicky deutete mit einem ausziehbaren Zeigestock auf der Leinwand herum und hielt dabei im verdunkelten Zimmer Ausschau, ob sich auch niemand eine Zigarette angesteckt hatte.
Die dienstäglichen Besprechungen gaben Dicky auch die Gelegenheit, seinen Untergebenen Arbeiten zuzuteilen, Streitigkeiten zwischen ihnen zu schlichten und langsam an den Monatsbericht zu denken – der nächste musste Freitag früh auf dem Tisch des Director-General sein. Das heißt, Dicky brachte mich dazu, langsam daran zu denken, weil ich ihn jedesmal schreiben musste.
»Es geht einfach darum, sie zu motivieren«, sagte Dicky, an seinem Rosenholztisch sitzend und eine Papierklammer geradebiegend. »Ich möchte, dass alle das Gefühl haben …«
»Zu einem Team zu gehören«, ergänzte ich.
»Ganz recht«, sagte er. Als ihm dann im nachhinein auffiel, dass mein Ton möglicherweise sarkastisch gewesen sein könnte, runzelte er die Stirn. »Was den Teamgeist angeht, hast du noch eine Menge zu lernen, Bernard«, sagte er.
»Ich weiß«, erwiderte ich. »Ich glaube, in der Schule, die ich besucht habe, hat man auf Teamwork nicht genug Wert gelegt.«
»Diese lausige Schule in Berlin«, sagte er. »Ich habe nie verstanden, warum dein Vater dich auf eine deutsche Schule geschickt hat. Es muss doch eine Schule für die
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