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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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die Untermalung«, sagte Gloria. »Wenn die nachher durch die Lasuren scheint, gibt sie den Farben den tiefen satten Ton.«
»Du scheinst ja genau Bescheid zu wissen.«
»Ich habe Onkel Dodo schließlich oft genug besucht, als ich Au-pair-Mädchen in Nizza war. Manchmal habe ich auch geholfen. Er ist ein liebenswerter Mensch. Weißt du überhaupt, was das hier ist?«
»Ich nehme an, Eitempera. Aber warum diese komischen Formate?« Beide Tafeln waren sehr niedrige, breite Querformate.
»Renaissance-Hochzeitstruhen.«
»Was?« fragte ich.
»Er malt Fälschungen. Ein Händler in München setzt sie ab.«
»Und fallen die Käufer auf die Fälschungen herein?«
»Sie werden mit Expertisen von international anerkannten Autoritäten ausgestattet. Eine ganze Menge von Onkel Dodos Fälschungen sind inzwischen in berühmten Museen.«
»Und man ist ihm noch nie draufgekommen?«
»Jetzt ist es ja noch nicht fertig. Es wird erst noch auf alt getrimmt.«
»Aber Museen?« Ich konnte es nicht glauben.
»Auch Museumsdirektoren sind keine Heiligen, Bernard.«
»Wieder eine Illusion weniger«, sagte ich. »Dodo ist also reich?«
»Nein, diese Dinger machen eine Menge Arbeit, und die Händler bezahlen nicht allzu gut. Die Konkurrenz auf diesem Markt ist groß.«
»Also warum …?«
»Macht er es?« vollendete sie meine Frage. »Die Täuschung, der Betrug macht ihm Spaß. Er kann ganz schön grausam sein. Wenn du ihn länger kennst, wirst du verstehen, was ich meine.« Der alte Mann auf dem Bett stöhnte und schien aufzuwachen, drehte sich dann aber auf die Seite und schlief schwer atmend weiter. Gloria beugte sich über ihn und streichelte ihm zärtlich den Kopf. »Das große Geschäft machen die Händler. Armer Dodo.«
»Du wusstest also von Anfang an Bescheid? Das mit den vielen Eiern in der Küche, das war nur, um ihn aufzuziehen?«
Sie nickte. »Dodo ist bekannt wie ein bunter Hund. Er behauptet, die wunderbare Hochzeitstruhentafel gemalt zu haben, die der ›Schule Ucellos‹ zugeschrieben wird und inzwischen im Louvre hängt. Letztes Jahr zu Weihnachten hat er Farbpostkarten mit Abbildungen dieses Werkes an alle seine Freunde verschickt. Ich hatte schon Angst, er bringt sich noch ins Gefängnis damit, aber vielleicht würde ihm sogar das noch wie ein guter Witz vorkommen. Die Ungarn haben alle einen komischen Sinn für Humor.«
»Das habe ich mir auch schon gedacht«, sagte ich.
»Er versteht was von Chemie. Und es macht ihm Spaß, die Pigmente nach alten Rezepten herzustellen, das Holz und die anderen Materialien auf alt zu trimmen. Er ist wirklich ein Fuchs.«
Wieder bewegte sich der alte Mann und fasste sich an den Kopf, an die Stelle, wo er beim Sturz aufgeschlagen war. »O Gott«, murmelte er.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte ich beruhigend.
»Er kann dich nicht hören. Er spricht im Schlaf«, sagte Gloria. »Machst du übrigens auch manchmal.«
»Natürlich«, erwiderte ich spöttisch.
»Letzte Woche hast du mich damit geweckt. Verrückte Sachen hast du gerufen.« Sie legte mütterlich den Arm um meine Schultern.
»Was für Sachen?«
»Sie bringen ihn um. Sie bringen ihn um.«
»Ich rede nie im Schlaf«, sagte ich.
»Wie du meinst«, entgegnete Gloria. Aber sie hatte recht. Drei Nächte hintereinander war ich aus einem Alptraum über Jim Prettyman erwacht. »Sie bringen Jim um!« Das hatte ich gerufen. Ich erinnerte mich nur zu gut. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib in jenem Traum, aber von den Vorübergehenden nahm niemand die geringste Notiz von mir.
»Sieh dir die Fotos an«, sagte Gloria und strich ein paar alte Abzüge glatt, die zusammengerollt unter allem möglichen anderen Zeug auf einem Abstelltisch lagen. »War er nicht ein gutaussehender Mann in seiner Jugend, ein richtiger Schwerenöter?«
Dodo posierte mit einem halben Dutzend anderer schlanker, athletischer Jünglinge mit einem älteren Mann, dessen Gesicht mir wohlbekannt war. Drei von ihnen saßen in Korbsesseln vor einem Gartenhäuschen. Und einer in der ersten Reihe hatte den Fuß auf ein Brett gesetzt, auf dem »Die Preußen« stand.
»Wahrscheinlich ein Tennisturnier«, erklärte Gloria. »Er war ein hervorragender Tennisspieler.«
»Irgend so was, ja«, sagte ich, obwohl ich genau wusste, dass es nichts Derartiges war. Der ältere Mann war ein seit Ewigkeiten von Berlin aus operierender Agent namens John Koby, genannt »der Lange« – ein Zeitgenosse meines Vaters –, und seine »Preußen« waren Agenten, die in der SBZ Nachrichten für ihn

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